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das Bestehen einer völkerrechtlichen Befugnis zur Zerstörung
neutraler Prisen nur nachgewiesen werden könne, wenn man
Präzedenzfälle aus der internationalen Praxis anführe. An
solchen aber mangele es vollkommen, das Recht sei zum ersten
Male während des russisch-japanischen Krieges in Anspruch ge-
nommen worden. Wenn behauptet würde, daß die Gesetz-
gebungen vieler Länder ein Recht auf Zerstörung neutraler
Schiffe anerkennen, so sei das unerheblich. Ein Völkerrechtssatz
könne nicht dadurch entstehen, daß einzelne Staaten ihn zum
Bestandteile ihrer Gesetzgebung machen, es müsse die Zustim-
mung der andern Staaten (le concours des autres &tats) hinzu-
kommen, woran es aber gerade mangele. Das Institut de droit
international habe in seiner Turiner Sitzung das Zerstörungsrecht
nur für die feindlichen Prisen anerkannt.
Insofern als der russische Redner Owtschinnikow auf die
juristische Begründung der russischen Vorschläge einging °, be-
rührte er, wenn auch nicht die Frage, ob die Zerstörung neu-
traler Prisen durch das Völkerrecht erlaubt, so doch diejenige,
ob sie verboten sei. Er verneinte sie aus der Erwägung heraus,
daß der Captor mit der Prisenzerstörung weiter nichts tue, als
sein eignes Eigentum zerstöre, was ihm rechtlich doch nicht ver-
wehrt sein könne (die Argumente, die von ihm dafür geltend
gemacht wurden, sind ungefähr die des Knight Commander-
Urteils). Die übrigen von dem Redner angeführten Gründe für
den russischen Vorschlag beleuchteten die Frage de lege ferenda.
Owtschinnikow wies darauf hin, daß die Eigentümer der zu
Unrecht zerstörten Güter durch den Prisenspruch in ihren Inter-
essen geschützt werden (pekuniärer Gesichtspunkt). Passagiere
und Besatzung müssen vor der Zerstörung übernommen werden.
Wenn sie auf dem Kriegsschiffe weniger vor den Gefahren des
Krieges geschützt seien, so sei das nicht Schuld des Captors,
55 Kod. p. 899.