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Die politische Ortsgemeinde hat nun in Bayern freilich die
bedeutsamsten Wandlungen durchgemacht. Sie war in der Mont-
gelas’ schon Periode von 1808 bis 1818 Staatsanstalt, dann wurde
sie eine unter Kuratel stehende Korporation und erst seit 1869
ist sie Gemeinde mit Selbstverwaltungsrecht. MEURER scheint
der Kirchengemeinde eine analoge Entwicklung zu wünschen, nur
übersieht er, daß diese Entwicklung, wenn sie überhaupt bevor-
steht, zunächst auch nach dem Entwurf noch in dem Stande sich
befindet, welchen die bayerischen politischen Gemeinden in der
Zeit von 1808 bis 1818 innehatten.
Es ist nichts anderes als die Umlage, welche MEURER so
fernsichtig für die Entwicklungsfähigkeit der Kirchengemeinden
macht. Bedenkt man aber, daß die Kirchenumlage durch die
Kirchengemeinde nicht allein, sondern nur mit Genehmigung der
staatlichen Aufsichtsbehörde beschlossen werden kann, so zeigt
sich schon gleich, daß es mit der gepriesenen Aufhebung der
Kuratel nicht so reichlich bestellt ist. Die KG. des Entwurfs
steht in der Handhabung ihres wichtigsten Rechtes unter Staats-
kuratel.e. Bedenkt man weiter, daß diese KG. ihre Umlage nur
für den engbegrenzten Zweck der ortskirchlichen Bedürfnisse zu
bewilligen und daß sie die Verwendung nicht selbst in Hän-
den, sondern der inneren Kirchenverwaltung zu überlassen hat,
so ist es mit ihrem Gemeindetum doch nicht so weit her.
Das Selbstverwaltungsrecht der KG., für welches MEURER
lebhaft eintritt, ist im Entwurf so gut wie nicht zu finden. Bei
den politischen Gemeinden bedeutet es materiell eine grundsätz-
liche Selbstbestimmung in der unmittelbaren gesamten örtlichen,
Öffentlichen Verwaltung. Im Rahmen des Gesetzes, welches ihr
Manches gebietet, anderes verbietet, ist sie frei in der Bestim-
mung dessen, was sie zum Umkreis ihrer öffentlichen Verwaltung
erheben oder aus demselben ausscheiden will. Davon ist bei den
KG. des Entwurfs nicht die Rede. Die Vermögensverwaltung,
welche ihnen aufgetragen wird, müssen sie besorgen und zwar
Archiv für öffentliches Recht. XXVI. 1. 4