— 6217 —
liche Gewalt ausübt, mit der der König nur nominell bekleidet ist. Die
große Aehnlichkeit des Textes der belgischen und der hellenischen Ver-
fassung und das so oft angegebene Beispiel der ersteren nötigen uns, hier
einige Einschränkungen zu machen; die Ausdrücke, deren sich der Ver-
fasser bedient, würden nämlich in Belgien nicht passen. Einmal differen-
ziert die in den beiden Ländern so verschiedene Zusammensetzung der
politischen Parteien die parlamentarische Regierungsart, besonders aber ist
die juristische Auffassung von der Monarchie ganz anders in einem Lande,
dessen Verfassung nicht ohne Zustimmung des Königs abgeändert werden
kann (Belgische Verfassung, Art. 131) als in einem andern, dessen Ver-
fassung eine solche Zustimmung nicht erfordert. (Griechische Verfassung,
Art. 107.)
Die gegenwärtigen Ereignisse geben diesem Problem in Griechenland
ein besonderes Interesse. Mit Recht knüpft Herr SARIPOLOS die Revisions-
klausel sogar an das Souveränitätsprinzip: „Bei der Ausübung der ver-
fassunggebenden Gewalt zeigt sich die ursprüngliche Einheit der Gewalten
und zwar in dem Sinne, daß man sagen kann, das Volk ist Träger der
Staatsgewalt“.
Die griechische Verfassung gestattet, wie man weiß, keine Aenderung
ihrer grundlegenden Bestimmungen (Art. 107); das muß, wenn man es ge-
setzmäßig anwendet, die Monarchie retten. Es ist nach Herrn SARIPOLOS
„eine Selbstbeschränkung des souveränen Volkes®. Wir gestehen, daß wir
zu dieser Beschränkung kein unbegrenztes Zutrauen haben, denn wer ist
denn schließlich Richter über den grundlegenden Charakter einer Be-
stimmung, wenn nicht die BovAn, die allein die Initiative und die Ent-
scheidung in dieser Sache hat?: „Tatsächlich ist dies eine Frage, die im
Falle des Konflikts zwischen König und Kammer nach Maßgabe der wirk-
lichen Machtverhältnisse gelöst würde“. Wir sind also nicht weit davon
entfernt, mit dem Verfasser uns zu verstehen.
Die königlichen Vorrechte bieten in Griechenland eine interessante Be-
sonderheit. Wenn zwei Monate nach Schluß einer Session ein von der
BovAn angenommener Gesetzentwurf nicht vom König sanktioniert ist, so
wird er als verworfen angesehen (Verfassung, Art. 36); eine furchtbare
Waffe in den Händen eines Königs, der sich nicht in der Gewalt seiner
Minister befindet, die ihrerseits vor dem Parlament politisch verantwortlich
sind. Uebrigens kann man in der parlamentarischen Monarchie von dem
absoluten Veto dasselbe sagen ?.
Der Vergleich zwischen Gesetz und Verordnung (8 12) stellt in ge-
2 Dr. SARIPOLOS spricht bei dieser Gelegenheit von einem „absoluten
oder relativen Veto“ (S. 95). Das sind zwei verschiedene Begriffe. In
Griechenland ist augenscheinlich der erstere durch den Artikel 36 der Ver-
fassung aufgestellt worden.