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die Gemeindeverwaltung als eine geistliche Angelegenheit auffaßt,
gleichzeitig aber die kirchliche Disziplin von den Organen dieser
(temeinden ferngehalten wissen will. Es befinden sich also schon
die ersten berufensten Stimmen über das Produkt des Gesetz-
gebers nicht nur in Gegensatz zu einander, sondern auch eine
jede in Widerspruch mit sich selbst.
(Ganz begreifich! Was der Gesetzgeber einmal schief ge-
stellt hat, das wird nimmer gerad, es sei denn durch eine Praxis,
die sich auch noch über die „praktische Weisheit“ des Gesetz-
gebers hinwegsetzt und tut, was sie will.
Vom Gesetzgeber nun erwarten wir freilich keine Konstruktio-
nen im Sinne des Begriffs sondern nur Normen. Diese allerdings
müssen wenigstens alles Wesentliche treffen. Von der Absicht,
dies zu tun, ist der Verfasser des Entwurfs redlich erfüllt ge-
wesen. So hat er sich auch der Aufgabe nicht entzogen, das
Disziplinarrecht der Kirchenverwaltungsmitglieder einschließlich
ihres Vorstandes, des Pfarrers, zu regeln.
Dies geschieht unter dem Gesichtspunkte der Aufsicht im
4. Abschnitt, insbesondere in Art.84. Daneben auch für Einzelnes
in Art. 83, 74 Abs. IX und X und in der zu den wichtigsten
Normen des Entwurfs gehörigen Strafvorschrift des Art. 76
Abs. I Satz 2, einer Bestimmung, die nur um ein Jahrhundert
zu spät anf der Bildfläche erscheint.
Der staatliche Anstaltscharakter der Kirchengemeinde kommt
auch darin zu einem bezeichnenden Ausdruck. Ein Recht der
Selbstregelung oder selbständigen Handhabung der Disziplin, wie
es den politischen Gemeinden teilweise eingeräumt ist, fehlt den
KG. des Entwurfs; es ist auch in der reinen Ordnungsstraf-
befugnis des Art. 83 nicht zu finden. Daß die Glaubensgesell-
schaften das Recht einer weltlichen Disziplinierung gegenüber
den Kirchenverwaltungen nicht erhalten konnten, folgt aus dem
Prinzip des 8 71 des Rel.Ed. Es bleibt also dem Staat vor-
behalten, im Aufsichtswege auch die Disziplin zu handhaben.