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bekannt, daß dem Art. 4 die Idee der subsidiären Funktion des
Naturrechts zugrunde gelegen sei; denn wenn der Richter
angewiesen wird, erforderlichenfalls das Naturrecht als subsidiäre
Rechtsquelle zu benutzen, so wird damit zugleich auch die Lücken-
haftigkeit des Gesetzbuches zugegeben, während HATSCHEK doch
den Standpunkt vertritt, daß der Code Napoleon das Ben-
THAMsche Prinzip der Geschlossenheit, Lückenlosigkeit des Gesetz-
buches rezipiert habe. Während also HATSCHEK im Hinblick
auf seine BENTHAM-Theorie notwendig als Gegner einer im Sinne
des Naturrechts vorzunehmenden Interpretation des Art.4 zu
betrachten war, suchte ich den Beweis zu erbringen, daß die
Redaktoren des Code Napoleon bei Aufhebung des refere legis-
latif und Einführung der „richterlichen Gebundenheit an das
Gesetz“ mittelst des Art. 4, in der Tat von der Voraussetzung
ausgegangen waren, dem Richter stehe erforderlichenfalls das Na-
turrecht als subsidiäre Rechtsquelle zur Verfügung.
Wie man angesichts dessen behaupten kann, für eine Aus-
einandersetzung mit HATSCHEK habe es in meiner Schrift an
dem nötigen Substrat gefehlt, ist mir unverständlich. Gerade die
Redaktionsgeschichte des Art. 4 — daswird sich übrigens auch aus
Abschn. III 1 der vorliegenden Abhandlung ergeben — besitzt
für die Frage, ob und inwieweit der „Geist“ des Code Napoleon
mit der BENTHAMschen „Geschlossenheit des Gesetzbuches“ et-
was zu tun hat, die größte Bedeutung.
II.
HATSCHEK ist, wie gesagt, anderer Meinung. Er glaubt,
seine Behauptung, daß der „Geist“ des Code Napoleon von dem
BENTHAMschen Prinzip der „Geschlossenheit des Gesetzbuches“
erfüllt gewesen sei, selbständig, ohne Rücksicht auf
die Redaktionsgeschichte des Art. 4, beweisen zu
können. Zu diesem Zwecke beruft er sich in seiner Replik auf
zwei „Tatsachen“, die er mir 8. 443 f. entgegenhält, weil ich
“