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Wir glauben durch unsere bisherigen Ausführungen den
Nachweis dafür erbracht zu haben, daß den Vertretern der von
uns bekämpften Ansicht, denen, wie im I. Teil unserer Abhand-
lung ausgeführt, der Beweis für die Unzulässigkeit der richter-
lichen Vorprüfung oblag, dieser Beweis, soweit er sich auf das
preuß. Staatsrecht stützt, nicht geglückt ist.
Es bleibt somit nur noch übrig, kurz auf die Ausführungen
allgemeinen Inhalts, die sich gegen das richterliche Prüfungs-
recht richten, einzugehen.
Wenn der II. Strafsenat des Reichsgerichts, anscheinend
unter dem Einfluß der Ausführungen THIELEs (a. a. O. S. 114) *,
es als einen Eingriff in das Majestätsrecht des Königs bezeich-
net, „wollte der im Namen des Königs urteilende Richter zur
Grundlage seines Urteils das Gegenteil dessen machen, was der
König oder die vom König beauftragte Behörde über die seiner
alleinigen Entschließung vorbehaltene Frage entschieden hat“, so
ist dieser Satz in dreifacher Richtung angreifbar. Einmal ver-
gißt unser höchster Gerichtshof, daß kein menschliches Tun irr-
tumsfrei ist, und daß somit für Preußen, wo in Adelssachen nur
eine Instanz besteht*’, eine derartige Auffassung eine Art von
Unfehlbarkeit der heroldsamtlichen Entscheidungen ausspricht *®.
Sodann aber vergißt der erkennende Senat, daß heute das Ur-
teilen des Richters „im Namen des Königs“ nur noch die Be-
deutung einer historischen Reminiszenz hat, daß, um mit JEL-
# 4.2.0. S. 393; auch DJZ. 1910 Sp. 83.
47 Denn auch die zulässige Beschwerde an den König bewirkt nur er-
neute Prüfung durch das Heroldsamt im Gegensatz z. B. zum sächs. Recht
(vgl. Adelsgesetz vom 29. Sept. 1902 $ 11 ID), das als Ill. Instanz das Ober-
verwaltungsgericht mit Nachprüfungsrecht de iure et de facto beruft.
(Näheres bei EINSIEDEL, Komm. z. sächs, Adelsgesetz 1902 S. 42; vgl. auch
für das württemb. Recht, das gleichfalls eine Anfechtungsklage beim Ver-
waltungsgericht kenut, $ 13 des Gesetzes über die württemb. Verwaltungs-
rechtspflege und hierzu SARWEY a. a. O. S. 494),
“ Wer kann überhaupt sagen, was absolut richtig, was absolut falsch
ist ? Vgl, hierüber die trefflichen Ausführungen E. I. BEKKERS a. a. O. S. 199.