—- 6 —
in den Motiven zum Ausdruck gelangende Begründung für die
durch das Gesetz vom 9. Juni 1871 geschaffenen Zustände:
„Die Wiedergewinnung von E.-L. ist das erhebende sicht-
bare Ergebnis der gemeinsamen kriegerischen Aktion, durch
welche Deutschland in Abwehr des französischen Angriffs auf
seine Unabhängigkeit seine Einheit und Größe wiedergewonnen
hat; es sind jene Lande das äußere Pfand der Einheit des
Deutschen Reiches, mit vereinter Kraft errungen, mit vereinter
Kraft später vielleicht noch einmal zu verteidigen. Deshalb
sollen die wiedergewonnenen (Gebiete als ein unzertrennbares
Ganze dem ganzen Reich einverleibt, nicht einem Bundes-
staat überantwortet, nicht unter mehrere geteilt werden“,
keine solche, die Anspruch darauf erheben kann, daß die in ihr
enthaltenen Tatsachen die gutfundierte Basis für Zustände von
ewiger Dauer bilden können. Ohne der darin zur Geltung
kommenden idealen Auffassung, die zweifellos in jenen Tagen
ihre Berechtigung hatte, nahe treten zu wollen, kann behauptet
werden, daß gerade Idealgestaltungen als Produkte einer von Be-
geisterung getragenen Zeit, wegen ihrer in der Größe des Augen-
blicks haftenden Bedeutung nicht Anspruch anf bleibende Kraft
erheben können — weil sie nicht politisch sind. Die Politik be-
nutzt wohl Momente hochgehender Begeisterung um ihre Ziele
zu erreichen, läßt sich jedoch durch solche nicht in ihrer Ent-
schließung beeinflussen. Die potenzierte Zweckmäßigkeit kontra-
stiert zu lebhaft mit der nur aktuell motivierten Begeisterung.
Deshalb sind jene Sätze ein schönes Dokument für den idealen
Schwung jener Tage; Anspruch auf politische Bedeutung können
sie nicht erheben.
Aber es wird auch damals kluge, kalte Köpfe gegeben haben,
die sich nicht durch die Wogen der Begeisterung den kalt be-
rechnenden Blick haben trüben lassen. Und diese wußten, daß
es eine politische Unmöglichkeit war, anders zu verfahren als es
geschehen war. Welchem Bundesstaat hätte man E.-L. einver-