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Ob als Kontrasignant der Statthalter (Vorgänger) oder Reichs-
kanzler in Betracht kommt, hängt, wie wir oben erwähnt haben,
davon ab, ob wir es hier mit einer elsaß-lothringischen oder einer
Reichsangelegenheit zu tun haben. Oben wurde schon des Ein-
wands gedacht, der die Gegenzeichnungspflicht des Statthalters
postuliert mit der Motivierung, daß es sich hier um eine rein
elsaß-lothringische Angelegenheit handele.
Ill. Wir sind gegenteiliger Ansicht, und zwar aus folgenden
(rründen, die sowohl für die Ernennung wie für die Uebertra-
gung landesherrlicher Befugnis in gleicher Weise zutreffen.
Es ist schon bei der Beratung des (Gesetzentwurfs als er-
wünscht bezeichnet worden, daß eine gewisse verantwortliche Ver-
bindung zwischen Reichskanzler und Statthalter fortbestehe ®.
Nun erscheint es unzweifelhaft, daß ein derartiges Verhältnis
zweier grundsätzlich koordinierten Organe notwendig zu einer
überragenden Stellung des Reichskanzlers hätte führen müssen,
wenn man diesen Wunsch dergestalt realisiert hätte, dab man
dem Reichskanzler wegen seiner Verantwortung irgendwelche
Rechte bezügl. E.-L.s eingeräumt hätte. Beides sollte aber ge-
rade durch das Gesetz von 1879 beseitigt werden. Um dennoch
den erstrebten Erfolg herbeizuführen und gleichzeitig eine Ga-
rantie dafür zu haben, daß die Politik im Reichsland einen den
Wünschen und Intentionen der verbündeten Fürsten entsprechen-
den Kurs einschlage, sollte der Reichskanzler die diesbezügliche
kaiserliche Verordnung gegenzeichnen. Denn hierdurch . über-
nimmt der Reichskanzler nach unserer obigen Ansicht die Ver-
antwortung für den materiellen Inhalt, d. h. er übernimmt die
Verantwortung dafür, daß der Kaiser eine Persönlichkeit wählt,
die geeignet ist, die von den verbündeten Regierungen erstrebten
Absichten zu realisieren. Dies geschieht nun sowohl durch dic
Ernennung, wie durch die Uebertragung landesherrlicher Befug-
65 Reichstagsverhandlungen (sten. Bericht 1879, Bd. 1 S. 658, Bd. II
S. 1622).