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lichkeit fehlt, die Wirkungen einer Verletzung der konstitutio-
nellen Verantwortlichkeit festzustellen, sofern nicht gleichzeitig
der Tatbestand der Verletzung eines strafrechtlichen Gesetzes
oder eines Disziplinargesetzes gegeben ist, so bleibt es doch
immerhin ein staatsrechtliches Problem, das durch ein ergehen-
des Gesetz realisiert werden kann.
Nun ist viel darüber gestritten worden, wem gegenüber der
Statthalter die konstitutionelle Verantwortlichkeit zu tragen habe,
ob gegenüber dem Reichstag oder gegenüber dem Landesaus-
schuß®), Für beide Ansichten lassen sich Gründe anführen.
Die Verantwortlichkeit gegenüber dem Reichstag wird begründet
durch die Tatsache, daß das Verhältnis des Reichslandes zum
Reich durch das Gesetz vom 4. Juli 1879 in keiner Weise modi-
fiziert worden ist, und der Statthalter rechtlich lediglich an die
Stelle getreten ist, die der Reichskanzler in seiner Eigenschaft
als Minister von E.-L. inne hatte. Als dieser aber dem Reichs-
tage verantwortlich war, muß dies analog für den Statthalter
gelten. Anderseits betont LABAND, daß aus der Natur des Lan-
desausschusses als Spezial-Reichstag für E.-L. folge, daß dieser
für die Verantwortlichkeit bezüglich der elsaß - lothringischen
Spezialangelegenheiten als Surrogat des Reichstags kompetent sei.
Es mag an dieser Stelle dahingestellt bleiben, welcher Auf-
fassung der Vorzug zu geben ist, und wie sich in jedem einzel-
nen Fall die Verantwortlichkeit realisieren ließe (bei Beratung
des Etats, Interpellationen u. a.), wir haben hier nur festzu-
stellen, daß, obwohl eine Verantwortlichkeit des Statthalters
rechtlich besteht, in der Praxis weder eine solche gegenüber
dem Landesausschuß noch gegenüber dem Reichstag existent ge-
eı Die herrschende Meinung hält dafür, daß der Reichstag das Organ
ist, vor dem der Statthalter zur Rechenschaft gezogen werden kann. Der
einzige Vertreter für die Kompetenz des landesausschusses ist LABAnD Il,
S. 231, vgl. auch Dorn I, S. 543; Leoni 1, S. 71, Anm. 1; ROSENBERG.
Staatsstellung von E.-L. S. 62.