— 256 —
ein Notrecht der Polizei. Ein solches Notrecht der Polizei kann
nach unsern obigen Ausführungen nicht anerkannt werden. In
Fällen dieser Art bleibt der Polizei, wenn ihr nicht der & 360,
10 RStGB. eine Handhabe gibt, nichts anderes übrig, als die
nötigen Arbeiten selbst vornehmen zu lassen und die Kosten
dann von dem Träger der Polizeilast einzuziehen. Daß jenem
aus dieser Beschränkung der polizeilichen Befugnis kein Vorteil,
sondern eher ein Nachteil erwächst, kann an der rechtlichen
Beurteilung nichts ändern.
I.
Das Notrecht der Polizei, wie wir es bisher besprochen
haben, wird angewandt zur Ausführung der gesetzlichen Auf-
gaben der Polizei, wobei jedoch nicht, wie in der Regel, gegen
den unmittelbaren Verursacher der polizeilich zu behebenden
Störung eingeschritten wird, sondern gegen einen Dritten, ohne
dessen Inanspruchnahme die Erfüllung der polizeilichen Aufgabe
unmöglich ist. Ganz anders stellt sich das Notstandsrecht der
Polizei in den Fällen dar, wo die Praxis es gebraucht, um die
Polizei Zwecken dienstbar zu machen, deren Verfolgung nicht
zu dem gesetzlichen „Amt“ der Polizei ($ 10. II. 17 ALR.) ge-
hört. Diese Fälle, von denen zwei Kategorien praktisch gewor-
den sind, sind rechtlich ganz anders zu beurteilen.
a) Das „Amt“ der Polizei gibt dieser nur die Ermächtigung
zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ;
nur das ad commune nocumentum (common or public nuisance),
wie die englische Terminologie es sehr prägnant bezeichnet °!, ist
von der Polizei zu bekämpfen, oder um die Formel des Ober-
sı Das englische Recht stellt diesen Begriff dem der private nuisances
entgegen; beide sind, da in England die das kontinentale Recht beherr-
schende Trennung zwischen privatem und öffentlichem Recht nicht durch-
geführt ist, Gegenstand der Polizei. Näheres vgl. bei E. W. GARRET, The
Law of Nuisances 1897 S. 1.