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Polizei „zur Berücksichtigung besonderer Ausnahmezustände wie
der durch schwere Krankheit hervorgerufenen“ für befugt.
Das für diesen Fall vom Öberverwaltungsgericht angenommene
Notrecht der Polizei ist wesentlich verschieden von demjenigen,
wie wir es oben als Ausnahme von dem Grundsatz der Abwehr
nur gegen den Störenden kennen lernten. Jenes erklärt sich,
wie wir sahen, in einfacher Weise aus der nur subsidiären Gel-
tung der von ihm durchbrochenen Grenzen der Polizeigewalt
gegenüber der allgemeinen Kompetenz der Polizei ($ 10. II. 17
ALR.). Wenn hingegen die Polizei tätig wird im privaten In-
teresse, so überschreitet sie damit schlechthin ihre Kompetenz.
Sie handelt ohne gesetzliche Ermächtigung, also ungesetzlich,
denn ein polizeiliches Handeln, das der gesetzlichen Ermächtigung
entbehrt, ist im konstitutionellen Staate immer rechtswidrig. Der
Notstand kann nie eine gesetzliche Ermächtigung ersetzen. Das
mag im Einzelfalle, wie in dem oben angeführten, wo die Poli-
zei nach unserer Ansicht gegenüber der ernstlichen Gefährdung
eines Kranken machtlos ist, hart erscheinen. Man mag daher
in dem Fehlen einer Ermächtigung zum Einschreiten in solchen
Fällen einen Mangel, eine Lücke der Gesetzgebung erblicken,
eine Lücke des Rechts ist derartiges, wie ANSCHÜTZ ausgeführt
hat 3%, nicht: „keine Lex, aber auch keine Lücke, vielmehr klares
Recht“ nämlich Fehlen der polizeilichen Kompetenz.
Tatsächlich liegt es mit dem Schutzbedürfnis des Einzelnen
meist nicht so schlimm, wie in dem eben gedachten Falle. Viel-
mehr besteht häufig aus anderen Rechtsgründen für die Polizei
die Möglichkeit, dem gefährdeten Einzelnen Hilfe zu gewähren.
Es können hier folgende Möglichkeiten in Betracht kommen :
1. Die gefährdende Handlung läuft einem Strafgesetz zuwider;
dann ist die Polizei ohne weiteres befugt, sie zu verhindern.
2. Die gefährdende Handlung ist eine solche, die zur Notwehr
35 OVG. 11. Oktober 1906 (IL, 303).
3 Verw.-Arch. XIV 327.