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delit politique bezeichnet, was die deutsche Rechtssprache in
„Handlungen, welche mit einem politischen Verbrechen in Zu-
sammenhang stehen“, übersetzt hat. Diese Beschränkung be-
deutet im gegenwärtigen Falle Unvollständigkeit. Man schneidet
sich den Weg zur Erkenntnis des Wesens der politischen Ver-
brechen ab. Die Rücksicht auf die amerikanische Praxis, die
jede Auslieferung wegen nichtkonventioneller Delikte verbietet,
vermag die Beschränkung der Untersuchungen nicht zu recht-
fertigen. Man darf erwarten, daß die amerikanische Wissen-
schaft bei den bisherigen Ergebnissen nicht stehen bleiben, son-
dern an ihrem weiteren Ausbau arbeiten wird. Eine endgültige
Lösung ist — wohl anerkanntermaßen — bisher noch keinem
Lande geglückt. Auch das deutsche Auslieferungsrecht harrt
noch der Bestimmung seines Begriffs der politischen Delikte.
Jeder neue Versuch einer Lösung wird willkommen sein, von
welchem Standpunkt aus man ihn auch unternehmen mag°®.
Nur Bemühungen um eine allgemeingültige Begrifisbestimmung
müssen einstweilen als müßig gelten.
5® Am 23. September 1908 verhandelte z. B. die International Law As-
sociation auf ihrer 25. Tagung in Budapest gelegentlich allgemeiner Be.
sprechungen über Auslieferungsverträge auch über das Problem des poli-
tischen Verbrechens im Auslieferungsrecht. Siehe den Report (London 1909)
p. 101f. Neuerdings hat sich auch die Internationale Kriminalistische
Vereinigung bei ihrer 11. Hauptversammlung in Brüssel vom 2. bis 4. August
1910 mit diesem Gegenstande beschäftigt. Vgl. Kölnische Zeitung vom
I1. August 1910 (Nr. 871).