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stellung der regelmäßigen Einberufung des Landesparlaments und
seines Kontrollrechts; die grundsätzliche Trennung der Justiz
und der Verwaltung und die Einrichtung einer Verwaltungs-
gerichtsbarkeit; die stufenweise Organisation einer unabhängigen
Selbstverwaltung neben der unmittelbaren Staatsverwaltung. Es
muß hier mit einigen Worten auf diese Punkte eingegangen
werden.
Eine Ministerverantwortlichkeit besteht in Bosnien nicht;
das Land hat überhaupt keine Minister. Die Landesregierung
untersteht als Mittelinstanz dem Reichsfinanzminister und der
Landeschef ist nur diesem, nicht aber dem Landtage verant-
wortlich; das in den $S 33 und 30 des Landesstatuts geregelte
Interpellations- und Anfragerecht der Landtagsmitglieder und des
Landtages gegenüber der Landesregierung kann als Beweis einer
parlamentarischen Verantwortlichkeit derselben nicht gelten, da
8 47 der Geschäftsordnung des Landtages es in das Ermessen
der Liandesregierung stellt, die Interpellationen zu beantworten,
oder deren Beantwortung abzulehnen und es abgesehen von einer
Beschwerde des Landtages an das der Regierung vorgesetzte
Reichsfinanzministerium im Sinne des $ 30 des Landesstatuts an
einer richterlichen Instanz und an einem geregelten Verfahren
fehlt. um die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen. Der Landes-
chef hat auch keine unmittelbare rechtliche Beziehung zur Krone.
Die Gegenzeichnung der das Annexionsland betreffenden Staats-
akte des Monarchen geschieht nur durch den Reichsfinanzminister,
welcher aber kein Organ dieses Landes, sondern nur der Mon-
archie ist. Als solches ist er zwar den Delegationen verant-
wortlich, allein diese Ministerverantwortlichkeit ist bekanntlich
wegen des Fehlens eines österreichischen Ausführungsgesetzes un-
vollziehbar. Zudem ist es fraglich, wie weit das grundsätzliche
Recht der Delegationen, den gemeinsamen Finanzminister zur
Verantwortung zu ziehen, reicht, da den Delegationen, denen
kein Vertreter des Annexionslandes angehört, als Organ des