Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 27 (27)

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bildenden Herrschaftswillens zum Ausdruck gebracht. Dort sind 
es zwei getrennt beratende und beschließende Kollegien, entsen- 
det vom österreichischen und vom ungarischen Parlamente, de- 
ren Beschlüsse vom Kaiser und König sanktioniert zwar die bei- 
den Legislativen binden, aber nur durch das Mittel derselben, 
nicht unmittelbar, für die beiden Reichshälften abgesondert wirk- 
sam werden. In Oesterreich wie in Ungarn werden die sanktio- 
nierten Delegationsbeschlüsse von den beiden Staats regierun- 
gen selbständig zur Durchführung gebracht. Dazu ist den De- 
legationen noch die Möglichkeit genommen, durch ihre Beschlüsse 
österreichische oder ungarische Untertanen verpflichten und be- 
rechtigen, rechtlich binden zu können. — Ganz anders beim 
bosnischen Landtage: hier ist von der Bildung eines abgeleiteten 
repräsentativen Willensorganes aus primären österreichischen 
und ungarischen Volksvertretungen keine Rede; ebenso fehlt es 
an einer den Dualismus zum Ausdrucke bringenden Teilung des 
Landtages in zwei Kollegien. Aus einer weder österreichischen 
noch ungarischen, wohl aber mit österreichischen und ungarischen 
Untertanen untermischten Bevölkerung, welche auf einem ge- 
meinsamen (Gebiete der Monarchie unter unmittelbarer und un- 
geteilter österreichisch-ungarischer Herrschaft lebt, wird in pri- 
märer Weise nach dem Einkammersystem eine Volksvertretung 
gebildet, deren formell und materiell einheitlicher Wille nach 
Sanktion durch den gemeinsamen Monarchen Untertanen und 
Behörden im Annexionsgebiete unmittelbar rechtlich bindet; ein 
einheitlicher Wille, welcher ohne Vermittlung österreichischer 
und ungarischer Staatsorgane vom Reichsfinanzminister und von 
dem ihm unterstellten richterlichen und administrativen Behör- 
denapparat in Vollzug gesetzt wird. Mag die daraus zu ziehende 
Schlußfolgerung vom Standpunkte der Prinzipien der österreich- 
isch-ungarischen Realunion aus noch so anfechtbar erscheinen : 
seinem inneren rechtlichen Wesen nach qualifiziert sich der bos- 
nische Landtag als ein wirkliches, wenn auch nur für territorial
	        
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