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und sachlich begrenzte Angelegenheiten der Gesamtmonarchie
wirkendes Reichsparlament. Die bosnische Landesgesetz-
gebung erscheint demnach als eine Reichsgesetzgebung
der Monarchie, welche für das gemeinsame bosnische Herrschafts-
gebiet Rechtsnormen schafft.
Obwohl schon aus der bisherigen Untersuchung das Ergeb-
nis zutage tritt, daß die Frage nach der Staatsqualität und da-
mit die, ob sich die bosnischen Februargesetze als eine wirkliche
Staatsverfassung des Landes darstellen, verneint werden muß,
dürfen wir doch nicht versäumen, auch noch die bosnische
Exekutivgewalt hinsichtlich ihrer Organisation und staat-
lichen Zugehörigkeit einer näheren Untersuchung zu unterziehen,
da die vollziehende Gewalt eine wesentliche Erscheinungsform
jeder staatlichen Herrschaft darstellt. Wir werden sehen, daß
die Richtigkeit der bisherigen Schlüsse hier ihre Bestätigung
findet. Alle obrigkeitliche Gewalt, die gesamte Exekutive im
Annexionsgebiete war und ist noch heute eine gemeinsame
österreichisch-ungarische Angelegenheit und ressortiert in allen
ihren Zweigen dem Reichsfinanzminister. Die vollziehende Ge-
walt in Bosnien-Herzegowina lag bei und nach der Okkupation
im militärischen Oberkommando der gemeinsamen Truppen; die-
ser Grundsatz wurde nach der Okkupation durch Ausgestaltung
der Gerichtsbarkeit und Verwaltung und durch die Bestimmung
des k. und k. Finanzministers als oberste Vollzugsinstanz für
das Land in vieler Beziehung modifiziert, ohne daß aber das
Prinzip selbst beseitigt wurde. Die Annexionserklärung und der
Erlaß der Verfassungsgesetze hat das Wesen dieser gemeinsamen,
in ihrem Grundzuge militärischen Vollzugsgewalt im Lande nicht
geändert, es vielmehr bestätigt. Hierfür sind die Bestimmungen
des & 1 des bosnischen Landesstatuts von besonderer Bedeutung,
welche sagen: „Bosnien und die Herzegowina bilden ein ein-
heitliches besonderes Verwaltungsgebiet, wel-
ches in Gemäßheit des Gesetzes vom 22. Februar 1880 RGBl.