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rischen Ausgleich von 1867 herbeigeführte Entscheidung bedeutet
nicht den vollen Sieg des Dualismus und die vollständige Be-
seitigung des Einheitsgedankens, sondern einen Kompromiß zwi-
schen beiden, in welchem allerdings das erstere Prinzip das
weitaus stärkere Uebergewicht erhalten hat. Die sog. bosnische
Verfassung aber ist eine Weiterbildung, eine Umgestaltung dieses
Kompromisses, der Anfang einer neuen Epoche in der öster-
reichisch-ungarischen Verfassungsgeschichte. Welche staatsrecht-
liche Bedeutung diesem neuen Entwicklungsstadium der Gesamt-
monarchie beizumessen sei und welche staatsrechtliche Stellung
dem Neulande im umgestalteten Gefüge derselben zukommt, — -
das ist nicht Gegenstand der hier zu lösenden Aufgabe; diese
Fragen fallen über den Rahmen unseres eingangs gestellten
Problems hinaus.
Wohl aber ist noch in gedrängter Kürze der Nachweis zu
liefern, dab die sog. bosnische Verfassung tatsächlich nicht nur eine
Erweiterung, sondern auch eine wesentliche Umgestal-
tung des österreichischen und ungarischen Ver-
fassungsrechtes herbeigeführt hat; denn das, was wir als
„Recht der österreichisch - ungarischen Staatenverbindung“ be-
zeichnet haben, bildet ja formell nur einen korrespondierenden
Bestandteil jeder der beiden Staatsverfassungen. Insbesondere
kommen die sogenannten Ausgleichsgesetze vom Jahre 1867 hier
in Betracht. Dieser Nachweis ist um so wichtiger, als die Ver-
fassungsumwandInng in Oesterreich und in Ungarn infolge der
bosnischen Februargesetze weder hüben noch drüben von ent-
sprechenden Gesetzgebungsakten begleitet wurde oder solche auch
nur zur Folge gehabt hätte. Einleitungen dazu wurden ja aller-
dings von den beiden Regierungen getroffen ®®. Allein die beiden
25 Sowohl dem österreichischen Reichsrate als auch dem ungarischen
Reichstage wurden von der österreichischen bezw. ungarischen Regierung
nach der Annexion Bosnien-Herzegowinas Gesetzesentwürfe, betreffend die
Anerkennung derselben vorgelegt. Siehe Nr. 1162 der Beilagen zum steno-