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Die Gewohnheit ist nur die Form, in welcher sittliche und da-
mit rechtliche Ideen sich geltend machen. Nicht erst die Ge-
wohnheit begründet die rechtliche Natur der Idee; die sittliche
und damit rechtliche Natur ist von Anfang an vorhanden, die
wiederholte Verwirklichung gibt der Idee bloß Autorität. Die
gesetzten technischen Normen sind auszulegen gemäß der tech-
nischen Erfahrung. Letztere beweist ebenfalls unter Umständen
eine über positive Anordnungen siegende Macht. Die Gewohn-
heit auf dem Gebiete des Zweckmäßigen kann man eben-
falls als Uebung bezeichnen. Das gesetzte Recht und die gesetzte
Zweckmäßigkeit bieten stets Lücken dar: sie werden ausgefüllt
durch das Sittliche und Zweckmäßige!!. Auf verschiedenen Ge-
bieten, wo das Sittliche herrschen muß, gibt es zudem gar keine
Gesetzgebung. So können die sittlichen Anforderungen, welche
den staatlichen Gesetzgeber beherrschen, nicht von letzterem fest-
gestellt werden. Die gesetzgebende Gewalt, die Staatsgewalt
überhaupt, ist rechtliche Gewalt gemäß sittlichen oder ungesetz-
ten rechtlichen Normen, die über der Staatsgewalt stehen. Es
gibt also einen Teil des Staatsrechts, der der Behandlung durch
die Gesetzgebung entzogen ist. Und für den Verkehr der Völker
untereinander bestehen sittliche oder rechtliche Normen, das
Völkerrecht, das einer Setzung durch einen Gesetzgeber ebenfalls
entbehrt.
2.
Der Ausdruck Verwaltungsvorschrift hat insofern etwas Irre-
führendes, als man annehmen könnte, es handle sich um Vor-
schriften, welche die Verwaltung nach allen Richtungen hin be-
herrschen. Die Verwaltung wird aber nicht kloß von Verwal-
tungsvorschriften sondern auch von Rechtsvorschriften beherrscht.
Die Verwaltung ist eine rechtliche und eine technische. Zweck-
1! Gegen die Analogie vgl. MenGER, Das bürgerl. Recht etc. 8. 16.
MENGER will die Lücken nach Zweckmäßigkeitsgründen füllen.