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neuen Akte, der frühere Akt werde aufgehoben, ist Konsta-
tierung der Tatsache, daß die Wirkungen des neuen Aktes die-
jenigen des früheren Aktes ersetzen oder unterdrücken. Der
Inhalt eines neuen rechtsförmigen Aktes vermag ja den entgegen-
gesetzten und gleichlautenden Inhalt eines früheren Aktes aufzu-
heben, auch wenn die Aufhebung nicht ausdrücklich angeordnet ist.
Die (materielle) Rechtskraft oder Gültigkeit hat direkte und
indirekte Wirkungen. Die direkten Wirkungen sind diejenigen,
die sich aus dem Inhalte des Aktes ergeben. Die indirekten
Wirkungen sind zunächst negative; sie beseitigen die wider-
streitenden und gleichen Wirkungen früherer Rechtsakte, Be-
seitigungskraft *”. Die positiven indirekten Wirkungen bestehen
in dem Sichbehaupten der direkten Wirkungen gegen andere un-
berechtigte Einflüsse, Bestandskraft ”. Die direkten und in-
direkten Wirkungen sind aber untrennbar verbunden, sie bilden
etwas Einheitliches, nämlich die Gültigkeit oder Rechtskraft.
Das Fallen der direkten Kraft bedingt das Fallen der Bestands-
kraft und umgekehrt. Die Beseitigungskraft ermöglicht die direkten
Wirkungen und letztere bedingen erstere.
Die Beseitigungs- und Bestandskraft können verschiedene
Grade oder Stärken aufweisen. Verfassungsbestimmungen ver-
mögen die Wirkungen aller andern Rechtsakte zu beseitigen und
können ihrerseits nur wieder durch neue Verfassungsbestimmungen
in ihrer Kraft gebrochen werden. Gesetze heben Gesetze und
andere Rechtsakte auf und können ihrerseits nur wieder durch
Verfassung und Gesetz aufgehoben werden. Urteile höherer
Instanzen heben Urteile unterer Instanzen auf und können nur
wieder durch Urteile der gleichen oder einer noch höheren In-
stanz aufgehoben werden *. Während so die indirekte Kraft
22 DYROFF a. a. OÖ. S. 895 und 909 spricht von Aenderungskraft.
28 DYROFF a. a. O. S. 893 spricht von Bestaändsgarantie.
?* Die Kompetenz zur Beseitigung ist nach dem Standpunkte der Ge-
setzgebung zur Zeit des abändernden Erlasses zu beurteilen. Der Monarch,
Archiv des öffentlichen Rechts. XXVIIT. 3, 26