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und Mangel an rechtlichem Interesse bei Verwendung desselben Zeichens
durch verschiedenartige Unternehmungen, z. B. eine Eisenwarenhandlung
und eine Apotheke), treffen jedoch für alle vier Arten von Warenzeichen
in ganz gleicher Weise zu. Man versteht bei dem Lesen der Stelle nicht,
warum gerade nur die Etablissementsbenennung herausgegriffen wurde.
S. 459/460 wird die Behauptung aufgestellt, die Partei habe ein Recht
darauf, vom Ministerium die Mitteilung des Gutachtens der Handels- und
Gewerbekammer zu verlangen, wenn diese letztere als Sachverständiger um
eine Aeußerung befragt worden ist. Denn das Gutachten sei Beweismittel
und die Partei habe ein Recht darauf, alle Beweismittel kennen zu lernen
und sich über sie zu äußern, ganz ohne Rücksicht darauf, von wem sie
herrühren. De lege ferenda dürfte diesem Satz wohl zuzustimmen sein; ob
er aber heute geltendes Recht im österreichischen Verwaltungsverfahren
ist, wäre erst zu beweisen. Wenn man der herrschenden Praxis die Kraft
eines Gewohnheitsrechtes zuschreibt — und eine gesetzliche Regelung der
Frage fehlt leider gänzlich — so kann man der Behauptung des Verfassers
nicht beipflichten. Aus meiner eigenen Tätigkeit im Handelsministerium
ist mir bekannt, daß dieses Ministerium in Arbeiterschutzangelegenheiten,
zum Beispiel anläßlich der Entscheidung über Rekurse gegen Aufträge an
einen Gewerbsunternehmer zum Schutze des Lebens und der Gesundheit
der Arbeiter ($ 74 Gewerbeordnung) die Aeußerungen verschiedener Fach-
organe (Sanitätsdepartement des Ministeriums des Innern, technisches De-
partement des Handelsministeriums, Zentralgewerbeinspektorat) zwar ein-
holt, den Parteien wie den Unterbehörden jedoch davon nur soviel mit-
teilt, als es für gut findet. Auch vor dem Verwaltungsgerichtshof würde
dieser Vorgang standhalten, da das Ministerium gemäß Artikel II Absatz 3
des Gesetzes vom 21. September 1905 RGB. Nr. 149 beliebige Aktenteile
unter Berufung auf das öffentliche Interesse von der Akteneinsicht aus-
schließen kann. Aber auch wer die Existenz eines Gewohnheitsrechtes
leugnet, wird um ein argumentum a maiori ad minus aus der eben zitierten
Gesetzesstelle schwer herumkommen und sagen müssen, die Parteienrechte
können im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde nicht weiter gehen, als
in jenem vor dem Verwaltungsgerichtshof. Neuestens habe ich allerdings
von einem gariz anderen Gesichtspunkte aus versucht, dem Recht der Par-
tei auf Akteneinsicht eine erweiterte Anerkennung zu verschaffen (Das
freie Ermessen und seine Grenzen, Leipzig und Wien, 1910, $. 94), doch
würde es zu weit führen, hier näher darauf einzugehen. Jedenfalls handelt
es sich um eine Frage von allgemeiner Bedeutung für das Verwaltungs-
verfahren, die sich nicht dadurch lösen läßt, daß man ein Dogma aus dem
Zivilprozesse einfach herübernuimmt, sondern die der Verfasser, wenn et
sie einmal aufgeworfen hat, nur auf einer viel breiteren Basis hätte be-
antworten können.
Nicht ganz überzeugend sind die Ausführungen des Autors über die