Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 27 (27)

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und Mangel an rechtlichem Interesse bei Verwendung desselben Zeichens 
durch verschiedenartige Unternehmungen, z. B. eine Eisenwarenhandlung 
und eine Apotheke), treffen jedoch für alle vier Arten von Warenzeichen 
in ganz gleicher Weise zu. Man versteht bei dem Lesen der Stelle nicht, 
warum gerade nur die Etablissementsbenennung herausgegriffen wurde. 
S. 459/460 wird die Behauptung aufgestellt, die Partei habe ein Recht 
darauf, vom Ministerium die Mitteilung des Gutachtens der Handels- und 
Gewerbekammer zu verlangen, wenn diese letztere als Sachverständiger um 
eine Aeußerung befragt worden ist. Denn das Gutachten sei Beweismittel 
und die Partei habe ein Recht darauf, alle Beweismittel kennen zu lernen 
und sich über sie zu äußern, ganz ohne Rücksicht darauf, von wem sie 
herrühren. De lege ferenda dürfte diesem Satz wohl zuzustimmen sein; ob 
er aber heute geltendes Recht im österreichischen Verwaltungsverfahren 
ist, wäre erst zu beweisen. Wenn man der herrschenden Praxis die Kraft 
eines Gewohnheitsrechtes zuschreibt — und eine gesetzliche Regelung der 
Frage fehlt leider gänzlich — so kann man der Behauptung des Verfassers 
nicht beipflichten. Aus meiner eigenen Tätigkeit im Handelsministerium 
ist mir bekannt, daß dieses Ministerium in Arbeiterschutzangelegenheiten, 
zum Beispiel anläßlich der Entscheidung über Rekurse gegen Aufträge an 
einen Gewerbsunternehmer zum Schutze des Lebens und der Gesundheit 
der Arbeiter ($ 74 Gewerbeordnung) die Aeußerungen verschiedener Fach- 
organe (Sanitätsdepartement des Ministeriums des Innern, technisches De- 
partement des Handelsministeriums, Zentralgewerbeinspektorat) zwar ein- 
holt, den Parteien wie den Unterbehörden jedoch davon nur soviel mit- 
teilt, als es für gut findet. Auch vor dem Verwaltungsgerichtshof würde 
dieser Vorgang standhalten, da das Ministerium gemäß Artikel II Absatz 3 
des Gesetzes vom 21. September 1905 RGB. Nr. 149 beliebige Aktenteile 
unter Berufung auf das öffentliche Interesse von der Akteneinsicht aus- 
schließen kann. Aber auch wer die Existenz eines Gewohnheitsrechtes 
leugnet, wird um ein argumentum a maiori ad minus aus der eben zitierten 
Gesetzesstelle schwer herumkommen und sagen müssen, die Parteienrechte 
können im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde nicht weiter gehen, als 
in jenem vor dem Verwaltungsgerichtshof. Neuestens habe ich allerdings 
von einem gariz anderen Gesichtspunkte aus versucht, dem Recht der Par- 
tei auf Akteneinsicht eine erweiterte Anerkennung zu verschaffen (Das 
freie Ermessen und seine Grenzen, Leipzig und Wien, 1910, $. 94), doch 
würde es zu weit führen, hier näher darauf einzugehen. Jedenfalls handelt 
es sich um eine Frage von allgemeiner Bedeutung für das Verwaltungs- 
verfahren, die sich nicht dadurch lösen läßt, daß man ein Dogma aus dem 
Zivilprozesse einfach herübernuimmt, sondern die der Verfasser, wenn et 
sie einmal aufgeworfen hat, nur auf einer viel breiteren Basis hätte be- 
antworten können. 
Nicht ganz überzeugend sind die Ausführungen des Autors über die
	        
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