Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 27 (27)

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auch der Praxis Schwierigkeiten bei Beurteilung des Einzelfalls. Eine 
Schrift, die, wie die vorliegende, auf 268 Seiten Textes ausschließlich das 
Wesen des freien Ermessens und dıe Arten seiner Grenzen erforscht, wırd 
daher manchem als eine sehr willkommene Gabe erscheinen; dabei er- 
wartet man mit Rücksicht auf den großen Umfang der Arbeit unwillkürlich 
ein abschließendes System dogmatischen und kritischen Inhalts oder doch 
eine sichere Grundlegung, auf der ohne Gefahr weitergebaut werden kann; 
diese Erwartung wird nur teilweise bestätigt. 
Verfasser hält es für „unökonomisch ..... ., die Untersuchung auf eine 
einzelne Rechtsordnung zu beschränken“ ; vielmehr ist die Abhandlung „dem 
Versuche gewidmet, die natürlichen Rechtsgrundsätze über das freie 
Ermessen und seine Grenzen als einheitliches Ganze, nicht aber 
etwa dem, die Gesetzesanordnungen verschiedener Staaten über diesen 
Gegenstand rechtsvergleichend darzustellen‘; S. 13. Der Vorsatz 
wird unter reichlicher, wenn auch rhapsodischer, Heranziehung der öster- 
reichischen, deutschen, französischen, italienischen, spanischen, amerika- 
nischen usw. Literatur, Gesetzgebung und Rechtsprechung in zwei Haupt- 
teilen ausgeführt. Im ersten entwickelt Verfasser nach Bekämpfung einer 
Anzahl anderer Lehren seine eigene Ansicht über das Wesen des freien 
Ermessens. Für ihn ist freies Ermessen gleichbedeutend mit der Wahrung 
des öffentlichen Interesses; freies Ermessen liegt nur dann vor, wenn eine 
Behörde ermächtigt ist, unbeeinflußt vom Gesetze „nach ihrer eigenen 
pflichtmäßigen Ansicht und ihrem eigenen pflichtmäßigen Wollen selbst zu 
bestimmen, was der nächste unmittelbare Zweck ihres Handelns sein soll“; 
S. 62. Bei der Wahl zwischen mehreren dem gleichen Zwecke dienenden 
Mitteln handelt die Behörde nicht frei (8. 63, 34); hier, bei der richter- 
lichen Strafzumessung, der im Interesse des Mündels ausgeübten Tätigkeit 
des Vormundschaftsrichters, der Prozeßleitung usw. ist das Verhalten der 
Behörde durch das Gesetz theoretisch ein deutig vorgezeichnet, wenn auch 
die Gesetzesauslegung im Einzelfalle Schwierigkeiten bereiten mag (S. 57 
—59). Denn „in prinzipiellem Gegensatz zu allen übrigen vom Gesetze 
verwendeten Kategorien“ steht allein die Kategorie des öffentlichen Inter- 
esses. „Alle übrigen bedeuten Gebundenheit, diese bedeutet die Negation 
jeder Bindung, sie bedeutet die Freiheit der vollziehenden Gewalt von der 
Gehorsamspflicht gegen die gesetzgebende“ ; S. 70. Der zweite Hauptteil 
gilt der Lehre von den Grenzen des freien Ermessens. Zu seinem Aus- 
gangspunkt nimmt Verfasser die französische Theorie vom detournement de 
pouvoir, die er durch zahlreiche Beispiele, allerdings nicht ganz frei von 
Wiederholungen, zu veranschaulichen und kritisch zu beleuchten sucht, und 
kommt zu folgendem Ergebnis: Nach der Natur der Sache ist das freie Ermessen 
selbst verwaltungsgerichtlich unüberprüfbar. Das freie Ermessen wird aber 
vom Gesetze durch Ausschluß gewisser Zwecke, die nicht verfolgt werden 
dürfen, rechtlich eingeschränkt; die Ueberschreitung dieser Schranken führt 
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