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Dieser ist seit dem Reichsgesetz vom 18. Juni 1902 zur ge-
schichtlichen Reminiszenz geworden. Zu seiner Zeit war der
Diktaturparagraph immer Gegenstand heftiger Erörterungen so-
wohl im Reichstag, als auch in der Presse. Von der Theorie
des Staatsrechts auf ein Minimum besonderer Rechte angeschlagen,
bot er in der Praxis ein Mittel zu unbeschränkter Gewaltanwen-
dung, und war das stete Zeichen der eximierten Stellung E.-L.s.
Wenn auch die Masse der Elsaß-Lothringer nie seine Strenge ge-
fühlt haben, so war doch die Existenz einer solchen Bestimmung
Grund genug, hierin eine Herabsetzung gegenüber den übrigen
Angehörigen des Deutschen Reiches zu erblicken.
Es war deshalb eine Tat politischer Klugheit, als Kaiser
Wilhelm II. im Mai 1902 die Anregung gab zur Aufhebung der
diesbezüglichen außerordentlichen Gewalten des Statthalters, beson-
ders, da seither den hierauf gerichteten Anträgen elsaß-lothringi-
scher Reichtagsabgeordneter trotz namhafter Majorität im Reichs-
tag vom Bundesrat die erforderliche Zustimmung verweigert
wurde. Die Begründung der für den Reichstag bestimmten Vor-
lage weist auf die im Reichsland eingetretene Beruhigung der
(Gemüter hin, und daß nunmehr der Zeitpunkt gekommen sei, in
dem die verbündeten Regierungen auf das Fortbestehen der
außerordentlichen Gewalten ohne Nachteil für die Wohlfahrt des
Reiches und Landes verzichten könnten.
Diese wenigen kurzen Sätze enthalten in gewissem Sinne
ein Programm der verbündeten Regierungen bezüglich ihrer Reichs-
landpolitik. Es wird später darauf zurückzukommen und in an-
deren Zusammenhängen zu beweisen sein, daß diese Aufhebung
regeln zu ergreifen, welche er zur Abwendung der Gefahr für erforderlich
hält; ferner die Befugnis, innerhalb des der Gefahr ausgesetzten Bezirks
diejenigen Gewalten auszuüben, welche $ 9 des französischen Gesetzes vom
9. Aug. 1849, der Militärbehörde für den Fall des Belagerungszustandes
zuweist; endlich das Recht, zu polizeilichen Zwecken, insbesondere auch
zur Ausführung der vorbezeichneten Maßnahmen, die in E.-L. stehenden Truppen
zu requirieren. S. GEORG MEYER-ANSCHÜTZ, Lehrb. d. D. Staatsrechts II, 8 139.