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wiederum die Steuern, Gerichtsgefälle etc. an den preußischen Staat über,
der dafür die Schulden, soweit sie auf den übernommenen Objekten lasteten,
übernehmen mußte. Zu den Passivis gehörten außer den Anleihen für die
Erbauung der verschiedenen Eisenbahnen auch die Kriegskontribution von
5747000 Gulden. Denn in dieser Höhe hatten (s. S. 67) der bisherige
Bürgermeister und ein Senator als Regierungsbevollmächtigte des komman-
dierenden preußischen Generals ein Darlehen bei der Frankfurter Bank für
den „Staat Frankfurt“ als Schuldner aufgenommen. Nachdem dieser Staat
nicht mehr existierte, die provisorische Staatsgewalt aber auf den komman-
dierenden General, in dessen Auftrag beide handelten, übergegangen war,
mußte notwendig Preußen hierdurch verpflichtet werden, und das noch
besonders aus dem (Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung, da
die (#elder nur zum Teil als Sold Verwendung gefunden hatten. Es war
daher, wie MICHEL zutreffend ausführt, weniger ein Entgegenkommen als
die Erfüllung einer gebotenen Pflicht, wenn sich Preußen endlich zur Ueber-
nahme dieser Schuld verstand. Von den weiteren Ausführungen MIcHELs
verdient noch besondere Erwähnung die Kritik, die er an der rechtswidrigen
Eixpatriierung Frankfurter Bürger übt, die auf Grund des Gesetzes von
1842 die Entlassung ihrer minderjährigen Kinder aus dem Staatsverbande
nachgesucht und, obne jedoch Frankfurt zu verlassen, das Schweizer Bürger-
recht erworben hatten, zu dem nachgewiesenen Zweck, ihre Söhne der
preußischen Wehrpflicht zu entziehen. Die daraufhin von seiten Preußens
1869 erfolgten Ausweisungen wurden damit begründet, daß die Entlassung
zum Zweck der Auswanderung erteilt, diese aber nicht erfolgt sei. MICHEL
hält dem entgegen, daß die bedingungslos erteilte Entlassung nicht nach-
träglich durch eine weder gesetzlich noch vertraglich hinzugefügte Be-
dingung beschränkt werden konnte. Mit MICHEL bin auch ich der Ansicht,
daß Preußen unbedenklich diese „Schweizer“ Bürger, an deren Staatsange-
hörigkeit die Schweiz ausgesprochenermaßen kein Interesse nahm, wegen
des der Naturalisation fehlenden Ernstes als Inländer hätte behandeln und
zum Militärdienst heranziehen können. Noch einige Worte über die in
Kap. VIIl behandelte Rechtslage der Frankfurter Beamten! Grundsatz der
völkerrechtlichen Praxis ist, daß der Beamte, sofern er im Staats-
dienst behalten wird, verlangen kann, im gleichen oder gleichwertigen Amt
unter Fortentrichtung seines alten Gehalts, belassen zu werden. Schwierig-
keiten ergaben sich aber in concreto insofern, als in Frankfurt, abgesehen
von den Staatsdienern I. und II. Klasse, auf die ohne weiteres der völker-
rechtliche Grundsatz Anwendung findet, noch die „Senatoren“ vorhanden
waren. Besorgten diese auch neben den staatlichen Geschäften städtische,
so war es doch unzutreffend, wenn Preußen deshalb anfangs nur die Hälfte
ihrer Gehalts- und Pensionsansprüche übernehmen wollte. Vielmehr waren
sie, das Ministerium des Staates Frankfurt, somit lediglich Staatsbeamte
und brauchten wegen der Eigenart ihrer Stellung auch keine andere Stelle