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der Fassung des $ 120 gemacht hat, Aufhebung und Ersatz
durch eine neue.
Sicher ist, daß mit diesem unglücklichen Texte König und
Volksvertretung ihren übereinstimmenden Willen, den & 120
der Verf.-Urk. abzuschaffen, keineswegs unzweideutig bekundet
haben. Ist aber ein Zweifel an der Auslegung möglich, so muB
nach dem eingangs Hervorgehobenen immer im konservativen
Sinn entschieden werden, im Sinn des unversehrten Fortbestan-
des des Verfassungstextes.
Im vorliegenden Falle machen sich noch besondere Erwä-
gungen geltend, die nach der gleichen Richtung drängen.
Weshalb soll man jetzt so plötzlich eine völlige Streichung des
8120 gewollt haben? Der sächsische Gesetzgeber, um den essich han-
delt, ist nicht nur im allgemeinen sehr konservativ. Er pflegt
auch noch insbesondere den äußeren Bestand seiner Verfassungs-
urkunde eifersüchtig zu wahren. Die der Sächsichen Verfassung
zugrunde liegende Vertragsidee spielt dabei ihre Rolle In
den Verhandlungen der I. Kammer zum ersten (gescheiterten)
Entwurf des Gesetzes vom 12. Oktober 1874 hat der Referent
Graf Hohenthal diesen Standpunkt mit kräftigen Worten betont
(Mitth. 1. Kammer 1871/73 Bd. 2 S. 1810). Damit stimmt es
überein, daß die wirklich stattgehabten Verfassungsänderungen,
wenn wir sie genauer betrachten, sich nie als reine Streichungen
darstellen. Es findet immer zugleich Ersatz statt und wird da-
für gesorgt, daß der von der Verfassung beherrschte Stoff an
Umfang nicht geringer werde. Eine Ausnahme bildet nur das
soeben erwähnte Gesetz vom 12. Oktober 1874. Es bringt
zweierlei Verfassungsänderungen. Unter I heißt es: „In der
Verf.-Urk. werden $ 67 Abs. 2 und 3 usw. aufgehoben und
treten an deren Stelle folgende Bestimmungen“. Unter II da-
gegen wird alsdann gesagt: „Ebenso werden die $$ 33 usw. auf-
gehoben. Ueber die dort berührten Gegenstände wird so weit
nötig durch die Landtagsordnung Bestimmung getroffen“. Dem