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die erkennende Behörde souverän, und somit auch eventl. ab-
weichend, über die Vorfrage erkennen darf.
Theoretisch sind verschiedene Auffassungen denkbar, wobei
wir zunächst von dem Fall ausgehen wollen, daß noch keine Be-
hörde über die Vorfrage eine Entscheidung abgegeben hat.
a) Zunächst kann der in der Hauptsache erkennende Magi-
strat abweisen. DaB hierin eine Ungerechtigkeit, ja sogar eine
Rechtsverweigerung liegen würde, liegt auf der Hand. Denn die
klagende Partei will ja Entscheidung in einer Frage, die zweifel-
los zur Kompetenzsphäre des angerufenen Organs gehört und
nur eine Vorfrage fällt in das Bereich der fremden Zuständig-
keit 14,
b) Ferner kann die Behörde das Verfahren einstellen, bis
das Organ, das eigentlich zur Entscheidung der Vorfrage berufen
ist, gesprochen hat. Diese Auffassung liegt dem Beschluß der
Konsuln vom 13 brumaire X (4. November 1801) zugrunde:
„Aussitöt que les commissaires du gouvernement seront informe&s
qu’une question attribuece par la loi A l’autorit& administrative ä
ete portee devant le tribunal, oü ils exercent leurs fonctions, ils
seront tenus d’en requerir le renvoi devant l’autorit& competente
et de faire insörer leurs requisitions dans le jugement qui inter-
viendra® 5. Die Argumente, die gegen diese in der französischen
Gesetzgebung und Praxis zur Herrschaft gelangten Anschauung
sprechen, werden wir weiter unten kennen lernen.
c) Eine andere Möglichkeit ist die, daß die erkennende Be-
14 cf, Prazak Arch. öff. Recht, 1V, S. 286.
15 cf. DALLOZ, Repertoire de legislation de doctrine et de jurisprudence,
mot „question prejudicielle“ p. 197 fi.; BAzıLLe, Etude sur la jurisdiction
administrative 1897 p. 25, 27; besonders aber DARESTE, La justice administra-
tive en France p. 207: Enfin la regle de la separation des pouvoirs ne
s’applique pas seulement aux actions prineipales, mais encore & tous les
incidents. Lorsque s’eleve un incident, qui n’est pas de l’autorite sai-
sie, celle-ci doit surseoir et renvoyer les parties & se pouvoir devant la
jurisdietion competente, pour faire juger la question pre&judieielle“.