Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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toire, c’est se soumettre & la souverainet&°*. GIERKE? hat darauf 
aufmerksam gemacht, daß daraus die Unhaltbarkeit der These 
folge, ROoUSSEAU habe den Sozialkontrakt in gleichem Sinne wie 
Kant verstanden. 
- Denn, das ist das wesentliche, der ungeheure (leider bald 
wieder vergessene) Fortschritt bei KAnT°%; nicht ideell in dem 
oben beschriebenen Sinne wird der Vertragsschluß gedacht, ge- 
schweige denn daß von einem historischen Geschehen gesprochen 
werden könnte. Sondern der Sozialkontrakt wird zur Idee, 
zu einem platonischen Ideal, zu einem Gesichtspunkte, unter 
welchem das reale Leben gewertet werden muß, zu einem For- 
schungsprinzipe für den ethischen Wahrheitsgehalt der Staaten 
und Gesetze. Der Staat, und das Leben der Menschen im Staate 
muß so betrachtet werden „als ob“ der Abschluß des So- 
zialkontraktes erfolgt sei, „als ob“ die Zustimmung eines jeden 
Staatsbürgers zu einem jeden Gesetze solle gefordert werden 
können. 
Der methodische Sinn einer solchen Idee ist der ureigenste 
Besitz Kants. Davon weiß das Naturrecht nichts, und er ist 
auch ROUSSEAU unbekannt. Für ihn, der KANTs Auffassung 
noch am nächsten steht, ist der Vertrag ein erstrebenswertes 
Ziel, ein auf dieser Grundlage errichteter Staat, ein Ideal — nicht 
aber eine Idee. Dazu wäre erforderlich gewesen, den Wert der 
Idee für die Ethik zu erweisen. Vor allem ist auch dies zu be- 
achten. Vom Standpunkte der Kanrtischen Lehre aus ist es 
sinnlos die Frage stellen zu wollen, ob, wie KREITTMAYR meint, 
der Staat durch irgend eine andere Vereinigung der Menschen 
ersetzt werden könne, oder ob, der Ansicht ROUSSEAUsS gemäß, 
 jbid. 
25 ], c. 349. 
2° Ueber Kants Staatslehre und ihren Zusammenhang mit den Grund- 
lagen seiner Philosophie cf. Teil II meines Aufsatzes: Kants Strafrecht in 
Beziehung zu seinem Staatsrecht. Zeitschrift für die gesamte Strafrechts- 
wissenschaft. XXXUL (Noch nicht erschienen.)
	        
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