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toire, c’est se soumettre & la souverainet&°*. GIERKE? hat darauf
aufmerksam gemacht, daß daraus die Unhaltbarkeit der These
folge, ROoUSSEAU habe den Sozialkontrakt in gleichem Sinne wie
Kant verstanden.
- Denn, das ist das wesentliche, der ungeheure (leider bald
wieder vergessene) Fortschritt bei KAnT°%; nicht ideell in dem
oben beschriebenen Sinne wird der Vertragsschluß gedacht, ge-
schweige denn daß von einem historischen Geschehen gesprochen
werden könnte. Sondern der Sozialkontrakt wird zur Idee,
zu einem platonischen Ideal, zu einem Gesichtspunkte, unter
welchem das reale Leben gewertet werden muß, zu einem For-
schungsprinzipe für den ethischen Wahrheitsgehalt der Staaten
und Gesetze. Der Staat, und das Leben der Menschen im Staate
muß so betrachtet werden „als ob“ der Abschluß des So-
zialkontraktes erfolgt sei, „als ob“ die Zustimmung eines jeden
Staatsbürgers zu einem jeden Gesetze solle gefordert werden
können.
Der methodische Sinn einer solchen Idee ist der ureigenste
Besitz Kants. Davon weiß das Naturrecht nichts, und er ist
auch ROUSSEAU unbekannt. Für ihn, der KANTs Auffassung
noch am nächsten steht, ist der Vertrag ein erstrebenswertes
Ziel, ein auf dieser Grundlage errichteter Staat, ein Ideal — nicht
aber eine Idee. Dazu wäre erforderlich gewesen, den Wert der
Idee für die Ethik zu erweisen. Vor allem ist auch dies zu be-
achten. Vom Standpunkte der Kanrtischen Lehre aus ist es
sinnlos die Frage stellen zu wollen, ob, wie KREITTMAYR meint,
der Staat durch irgend eine andere Vereinigung der Menschen
ersetzt werden könne, oder ob, der Ansicht ROUSSEAUsS gemäß,
jbid.
25 ], c. 349.
2° Ueber Kants Staatslehre und ihren Zusammenhang mit den Grund-
lagen seiner Philosophie cf. Teil II meines Aufsatzes: Kants Strafrecht in
Beziehung zu seinem Staatsrecht. Zeitschrift für die gesamte Strafrechts-
wissenschaft. XXXUL (Noch nicht erschienen.)