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unser menschliches Auge bei einer derart raschen Bewegung den
Eindruck des früheren Bildes noch hat, während schon das
nächste Bild auf der Leinwand steht, da unser Auge also nicht
imstande ist, infolge des schnellen Wechsels der Bilder die ein-
zelnen Bilder als etwas selbstständiges zu unterscheiden, hat der
Zuschauer den Eindruck, als ob er nicht ein bloßes Bild, das
einen Zustand wiedergibt, wie etwa bei einer Laterna magica, vor
sich habe, sondern eine lebende Handlung vor sich sehe.
Nach $ 1 des Reichsgesetzes über die Presse vom 7. Mai
1874 unterliegt die Freiheit der Presse nur denjenigen Beschrän-
kungen, welche durch das Reichspreßgesetz selber vorgeschrieben
oder zugelassen sind. Da die Zensur von Preßerzeugnissen zu
diesen ausnahmsweise angeordneten oder zugelassenen Ausnahmen
zweifellos nicht gehört — die Zensur vielmehr sogar durch den
zweiten Absatz des Artikels 27 der preußischen Verfassungs-
urkunde ausdrücklich verboten wird — kann kein Zweifel da-
rüber obwalten, daß auch die Filmzensur unzulässig wäre, wenn
es sich dabei um die Zensur von Gegenständen handeln würde,
auf welches das Preßgesetz Anwendung zu finden hätte.
Gemäß $ 2 Abs. 1 findet das Reichspreßgesetz Anwendung „auf
alle Erzeugnisse der Buchdruckerpresse sowie auf alle anderen
durch mechanische oder chemische Mittel bewirkten, zur Ver-
breitung bestimmten Vervielfältigungen von Schriften und bild-
lichen Darstellungen mit oder ohne Schrift und von Musikalien
mit Text oder Erläuterungen“. Es muß also geprüft werden,
ob die Films eines Kinematographentheaters zur Verbreitung
bestimmte Vervielfältigungen bildlicher Darstellungen sind.
Diese Frage bejaht ReicHerT* und erklärt demgemäß
die Zensur, wie sie heutzutage in immer weiterer Ausdehnung
in den meisten deutschen Bundesstaaten geübt wird, für gesetz-
lich nicht zulässig, Er führt aus, der Film sei eine Druckschrift
* Reichert „Beaufsichtigung der Kinematographen“ (Preußisches Ver-
waltungsblatt“ 1908 8. 469).