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und Verbrecher) ist ein strebender weil gefühlsbetonter Ausschnitt aus dem
(empfindenden und) vorstellenden Gegenstandsbewußtsein oder auch ein mit
Vorstellungen (und Empfindungen) verknüpfter Ausschnitt aus dem zuständ-
lichen Gefühlsbewußtsein, der das Willensbewußtsein unmittelbar beeinflußt
und zur Willensbetätigung drängt. Motiv im Rechtssinn ist daher: die
Bewegung des Psychischen in der Richtung auf ein rechtlich relevantes
Ziel. Danach bestimmen sich die Motive des Gesetzgebers, Richters und
Verbrechers, die zu ausschlaggebenden werden, wenn die psychische Stre-
bung auf einen über die Betätigung an sich hinausreichenden psychischen
oder physischen Erfolg abzielen: beim Gesetzgeber über die Schaffung des
Gesetzes, beim Richter über die Gesetzesanwendung im einzelnen Falle,
beim Verbrecher über die rechtsrelevante Willensbetätigung hinaus. Ob
dieser Begriff der Motive nun nicht nur die begriffsbildende, sondern auch
die urteilende und deduzierende Kraft der Rechtsphäre zu stützen oder zu
verstärken vermag, untersucht Verfasser in einem weiteren Kapitel über die
Psychologie des Rechts, die dabei in den Zweckrahmen des Rechts einge-
spannt werden muß. Das Psychische ist aktiv am Recht beteiligt, insofern
es als ausschlaggebendes Motiv des Gesetzgebers und Rechtes wirkt. Es
ist passiv am Recht beteiligt, insofern dieses sich mit ihm als seinem Ob-
jekt befaßt. In letzterer Hinsicht kommt für das Strafrecht nur jene wider-
rechtliche Strebung des Einzelnen in Betracht, die unter dem Gesichtspunkt
des Öffentlichen Interesses als eine so intensive Störung der öffentlichen
Ordnung erscheint, daß der Staat im Strafrecht dagegen reagiert. Derartige
Strebungen sind, wenn sie auf einen über die Willensbetätigung hinaus-
gehenden Erfolg gerichtet sind, als ausschlaggebende Motive des Verbrechens
ein psychischer Gegenstand des Strafrechts.. In gleicher Weise sind dies
aber auch die Gegenstrebungen des durch die Tat direkt verletzten und
der indirekt betroffenen Gesamtheit. Diese ausschlaggebende Motivation
ist von den möglichen Beziehungen der psychischen Tatsachen zum Recht
und umgekehrt zur Zeit allein rechtlich verwertbar, weil nur sie in der
Form des Rechts gekleidet und vom Richter und den Strafverfolgungsbehör-
den auf den einzelnen Fall angewendet werden kann. Deshalb hat sie als
Fundament und Leitsatz der Rechtspsychologie zu gelten, deren Aufgabe es
ist, in rein abstrakter Formel einen Ausschnitt aus der psychischen Wirk-
lichkeit derart festzulegen, daß die ihm entsprechenden psychischen Tat-
sachen das nach dem gegenwärtigen Stande der Psychologie zweifelsfrei
und mit den Mitteln psychologischer Beobachtung und historischen Tat-
sachenbeweises feststellbare und für das Recht in erster Linie relevante
Psychische enthalten. Das wichtigste Ergebnis einer derartigen Psychologie
des Rechts ist eine Vertiefung des Schuldbegrifis, die in den beiden Sätzen
gipfelt: als Schuldform unterscheidet sich der Vorsatz gegen die Fahrläs-
sigkeit dadurch, daß bei ihm eine Zweckvorstellung ausschlaggebendes Mo-
tiv für eine den vorgestellten Erfolg verursachende Willensbetätigung ist,
Archiv des öffentlichen Rechts. XXVIIL. 1. 11