Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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das juristisch entscheidende überhaupt nicht die Abwägung der einander 
gegenüberstehenden Interessen der Einzelnen, sondern das staatliche Interesse 
ist, daß also im Grunde gar nicht ein privatrechtliches, sondern ein öffent- 
lichrechtliches Rechtsverhältnis vorliegt, das seinerseits erst wieder auf die 
privatrechtliche Rechtslage reflektiert. Diese Auffassung würde dem Grund- 
gedanken des Verf. entsprechen, daß die Rechtsfolgen des Zwangs ihrem 
Wesen nach nur die Reaktion des Staates gegen die in dessen privater 
Ausübung liegende Rechtswidrigkeit ist. Sie würde ebenso ihrerseits wie- 
der logisch die Grundlage bilden für den weiteren — wie mir scheint recht 
beachtenswerten — rechtspolitischen Gedanken des Verf., daß die Duldungs- 
pflicht unter sozialen Gesichtspunkten geregelt werden und der Staat in 
Bürgenstellung für die Schadensersatzpflicht des in Notstand handelnden 
gegenüber den Duldungspflichtigen einrücken müsse. Mit dieser Auffassung 
der Duldungspflicht würden wir dann endlich auch dem in der Staatsrechts- 
lehre keineswegs mehr neuen Gedanken begegnen, daß die bei Fehlen der 
Duldungspflicht einsetzende Abwehrbefugnis sich rechtlich nur als Ausübung 
staatlichen Hoheitsrechtes darstelle. Tatsächlich betrachtet ja auch die 
heutige Rechtsanwendung durchweg alle Abwehrrechte als Institutionen 
des öffentlichen Rechts, indem sie die Vorschriften des bürgerlichen Rechts 
über Selbsthilfe als Bestandteil des Strafrechts, also des öffentlichen Rechts 
gelten läßt. 
Seinen grundlegenden Erörterungen läßt Verf. eine kurze systematische 
Untersuchung, auf die wir sogleich zurückkommen werden, über den Zwang 
im Völkerrecht und Staatsrecht folgen, um dann eine außerordentlich 
weitgreifende rechtsvergleichende Darstellung des Zwangs im Strafrecht zu 
geben. Er bespricht das Strafrecht von Deutschland, Oesterreich, Rußland, 
England, Frankreich, Schweiz, Holland, Italien, Spanien, Portugal, Däne- 
mark, Schweden, Norwegen, Island, Finnland, Bulgarien, Rumänien, Serbien 
und Montenegro. (Griechenland und die Türkei hat er von seiner Darstel- 
lung ausgeschlossen) Es kommt uns hier nicht zu — wäre auch in so 
kurzer Skizze ganz unmöglich — die reiche Fülle des vom Verf. zusammen- 
getragenen Materials zu sichten und zu würdigen: sie ist bewunderungs- 
würdig, und in diesen Eindruck mischt sich nur ein Gefühl der Beschämung 
für den minder gebildeten Leser angesichts der Selbstverständlichkeit, mit 
der Verfasser die Kenntnis der Sprachen sämtlicher soeben aufgezählter 
Staaten voraussetzt; nur ausnahmsweise fügt er den Originalzitaten eine 
Uebersetzung bei. Für die weniger Sprachkundigen sei jedoch ausdrück- 
lich hingewiesen auf die interessante Erörteruug der, im letzten Grunde 
auch staatsrechtlichen, Frage der Abwägung des öffentlichen Rechtsinteres- 
ses und des individuellen Freiheitsinteresses de lege ferenda, die als Kritik 
der neuen Entwürfe für die Schweiz, Oesterreich und das deutsche Reich 
den Schluß des Werkes bildet. 
Die Abschnitte über Völkerrecht und Staatsrecht, die für den Verf.,
	        
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