Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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und Führer, wie des Volkes selbst legen hierfür Zeugnis ab. Es 
handelt sich dabei nicht etwa um eine für Deutschland charak- 
teristische Erscheinung, sondern un eine internationale. Auch 
das wegen seiner Rechtspflege neuerdings vielgepriesene England 
ist nicht auszunehmen; findet sich doch bei Swift eine sehr be- 
zeichnende, die englischen Rechtsverhältnisse vor fast zweihundert 
Jahren grell beleuchtende Schilderung von Unzufriedenheit mit 
Advokatur und Richtertum. Diese historische Tatsache weist 
schon auf das Vorhandensein eines inneren, in der Sache selbst 
liegenden Grundes für das Mißbehagen so verschieden gearteter 
und interessierter Tadler des Juristenstandes hin. „Bei einer 
so grenzenlosen Wissenschaft, welche von dem Ansehen so vieler 
Meinungen abhängt, und so viel Willkürliches hat, kann es 
nicht anders sein, sie muß zu manchem verworrenen Urteil Stoff 
und Anlaß geben. Auch gibt es schwerlich einen so klaren 
Prozeß, über den die Gutachten nicht verschieden wären “(Mon- 
TAIGNE, Essays II, 12). Das die Zeichen der Kompromißnatur 
des Rechts an sich tragende Rechtssystem muß bei seiner An- 
wendung durch zahlreiche, nach Alter, Lebenserfahrung und 
anderen Momenten unter sich verschiedene Köpfe notwendig 
Entscheidungen hervorrufen, die zum Gegenstande geteilter An- 
sichten werden, zumal unter dem Einflusse unmittelbarer oder 
mittelbarer Interessen, wie im Zivilprozeß bei der unterlegenen 
Partei, im Strafprozeß mit seinen an Ehre und Leben rührenden 
Fragen durch den Gedanken an die hohe Bedeutung dieser für 
alle Menschen ausnahmslos gleich wichtigen Güter. Endlich 
darf man in unserem Zusammmenhange nicht außer acht lassen, 
daß ein Sinken des Ansehens und der Autorität aller gelehrten 
Berufe für unsere Zeit bezeichnend ist, eine Erscheinung, die 
nur zum Teil in dem Emporsteigen technisch oder kaufmännisch 
vorgebildeter Personengruppen ihre Erklärung findet. 
Der Stand, dessen Mitglieder das fundamentum regnorum 
zu wahren haben, muß jeder Minderung seines Ansehens, jeder
	        
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