Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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Allerdings wollen manche Denker das hier behandelte Verhalten 
nicht in das Gebiet des Ethischen rechnen, sondern es in den 
Bereich des Aesthetischen verweisen, also für ethisch indifferent 
erklären. Zugegeben, daß dies richtig wäre, so darf doch nicht 
vergessen werden, daß dieses Verhalten sofort ethisch different 
wird d. h. also hier unsittlich, sobald durch ein derartiges Handeln 
der Staat, das Publikum oder die Standesgenossen verletzt werden. 
Auch nach der Seite der Kriminalpsychologie oder besser 
der gerichtlichen Psychologie, von der die erstere nur einen Teil 
darstellt, ist die juristische Ethik abzugrenzen. Die gerichtliche 
Psychologie kann, soweit man Praktisches sucht, zu einem rich- 
tigen Verfahren des Richters z. B. bei der Würdigung von 
Zeugenaussagen, der Glaubwürdigkeit der Parteien oder des An- 
geklagten, der Verstattung zum Parteieide führen, die Ethik hin- 
gegen zu richtigem Benehmen oder Verhalten auf dem (Gebiete 
der Rechtspflege oder des ausübenden Rechts gegen Staat, Pu- 
blikum, Standesgenossen, Vorgesetzte usw. Verfahren und Be- 
nehmen, beides dem Gebiete des Handelns angehörend, berühren 
sich oft. Man denke an den Fall, daß ein Richter zur Ueber- 
führung eines Beschuldigten ihm das Geständnis eines Mit- 
schuldigen vorspiegeln würde, ein Verhalten, das vom sittlichen 
Standpunkte aus zu mißbilligen ist. 
Erhebliche Schwierigkeiten, an denen der Systematiker der 
juristischen Ethik nicht wird vorübergehen können, macht die 
Abgrenzung der Begriffe Sittlichkeit (Moral) und Sitte, aus der 
sich wiederum das Schickliche, die Etikette heraushebt und zu 
einer Sonderung der eigentlichen Berufs- von den Standespflichten 
führt. (Vgl. MoıL, a. a. O. S. 17 und 360). Imerine hat auf 
dem Felde der Sitte schwere Arbeit verrichtet. Er hat als erster 
die Sondernatur und Bedeutung der Sitte, dieses „Stiefkindes 
der Ethik“, in das, rechte Licht gerückt. Drei charakteristische 
Züge der Sitte werden von ihm aufgestellt: ihre innere Ver- 
schiedenheit von der Moral, ihre prophylaktische Bedeutung, ihre
	        
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