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lehre bilden können: Pflichten gegenüber dem Staat, dem Publi-
kum und den Berufs- bezw. Standesgenossen’”.
I. Pflichten gegenüber dem Staate. Hier be-
ansprucht naturgemäß der beamtete Jurist den größten Raum,
zumal einzelne seiner Pflichten Reflexwirkungen nach den bei-
den anderen eben bezeichneten Richtungen ausüben. Aber auch
der Anwalt hat Pflichten gegenüber dem Staate. Sein Beruf
erschöpft sich nicht in dem privatrechtlichen Vertrage zwischen
Anwalt und Klient; er ist ebenso (wie der Beruf des Arztes)
kein gewerbliches Unternehmen, sondern dient vorwiegend dem
allgemeinen, öffentlichen Zwecke der Rechtspflege auf Grund
einer staatlich geregelten wissenschaftlichen Vorbildung. Ist der
Anwalt auch an sich nicht Beamter, so liegen ihm als „Träger
geistiger Kräfte im Dienste des Gemeinwohls“ doch eine Reihe
öffentlich-rechtlicher Pflichten ob. (Vgl. die Entscheidung des
Reichsgerichts Bd. 66, 8. 143 ff. mit zahlreichen Zitaten ehren-
gerichtlicher Urteile). $ 356 StGB. spricht von der „amtlichen“
Eigenschaft des Anwalts; im Sinne des $ 31 StGB. ist auch die
Anwaltschaft ein „öffentliches Amt“. Den Anwaltskammern als
Vereinigungen zur Organisation des Standes obliegen die öffent-
lich-rechtlichen Funktionen der ehrengerichtlichen Strafgewalt.
Als die hauptsächlichsten besonderen Pflichten des Beamten,
deren Bekräftigung die Leistung des Diensteides gilt (vgl. a.
8 17 RAO.), bezeichnet man gewöhnlich: die Dienstpflicht, die
Pflicht zur Treue und zum Gehorsam, wobei erstere einen vor-
zugsweise ethischen Charakter hat (LABAND, a. a. O., 8. 430,
insbesondere Anm. 6° und 8. 431), sowie die Pflicht zu einer
* Umgekehrt dagegen gehören die Pflichten des Staates und des Pu-
blikums gegen den Juristenstand nicht in das Gebiet der juristischen Ethik.
Dies verdient gegenüber der gegenteiligen Ansicht ZIEMSSENS in seiner Ethik
des Arztes, Leipzig 1899, besonderer Hervorhebung.
8 „Der dienstliche Gehorsam erschöpft keineswegs den Inhalt der Be-
amtenpflicht; der Beamte hat vielmehr mit Aufwendung aller intellektuellen
und ethischen Kräfte, sehr oft mit Verleugnung seiner persönlichen Inter-