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und Ueberordnung gibt, welche durch rechtliche Einrichtungen zur Ver-
wirklichung gebracht werden kann”. Es kann wohl keinem Zweifel
unterliegen, daß es dem aus der Märzverfassung ($ 84) in die gegen-
wärtige Österreichische Verfassung übergegangenen juristischen Begriff der
Einheitlichkeit und Ausschließlichkeit der kaiserlichen Exekutivgewalt ent-
spricht, eine Verordnung der Staatsbehörden, welche von dem Einverständ-
nis der Selbstverwaltungsbehörden abhängig erklärt wird, als ungültig zu
behandeln, wenn die letzteren Behörden als verordnend, die staatlichen
nur als zustimmend angeführt würden, da die Selbstverwaltungsbehörden
für die Uebung der kaiserlichen Exekutivgewalt nicht zuständig sind.
Zu weit getriebene juristische Rechtsstaatsystematik ist es hinwiederum,
wenn KELSEN der Rechtsverordnung die Bedeutung des Rechtssatzes ab-
spricht und sie nur als Vollzug des Ermächtigungsgesetzes, also immer
nur als Vollzugsverordnung gelten lassen will#. Vom Standpunkte dieser
32 Vgl. TEZNER, Der Kaiser (1909) über die Rangordnung der staatlichen
Organe und die Form ihrer Aeußerung, S. 2f., 6. Es ist nach österreichi-
schem Recht der Kaiser als höchstes Organ des Staates der den Gesetzes-
beschluß zum Gesetzesleben durch Sanktion und Publikation („im Namen
des Kaisers“) erweckt, auch wenn er das Gesetz gar nicht versteht. „Er
hat nur Ja zu sagen, und den Punkt auf das J zu setzen.“ HEGEL, Grund-
linien der Philosophie des Rechts, 2. A. (1840), S. 363, 365. Den vom Kaiser
genehmigten Umlagebeschluß eines Österreichischen Landtags darf der
Richter überprüfen, das vom Kaiser mit Zustimmung des Landtags er-
lassene Landesgesetz nicht. Vom Standpunkt der Theorie von der juri-
stischen Aequivalenz aller für einen rechtlichen Akt erforderlichen Willens-
kundgebungen und der Bedeutungslosigkeit der Verschiedenheit ihres In-
halts ist das unerklärlich.
38 A. a. O., S. 557. Der Unterschied zwischen Vollzugs- und Rechts-
verordnung äußert sich in der Richtung, daß jene bei gegebenem, fest-
stehendem Inhalt des auszuführenden Rechtssatzes eine bestimmte Form
seiner Praktikabilität festsetzt, diese aber selbst ausführungsfähige
Rechtssätze schafft. Das Gesetz ordnet die Öffentliche Einsicht in das
Grundbuch. Die Durchführungsverordnung regelt ihre Modalitäten. Nie
darf die Vollzugsverordnung verwendet werden, um den unklaren Inhalt
eines Gesetzes zu klären. Das ist Sache der richterlichen und der authen-
tischen Auslegung. Keine Beachtung findet bei KELSEN die moderne Be-
wegung zur Erstreckung des Rechtsstaates auch auf die Öffentlichen Beamten,
die Erhebung der Dienstordnung zu einer auf Rechtssätzen ruhenden Rechts-
ordnung. Ihm sind heute die Dienstordnungen bloßer Vollzug der Dienst-
gewalt, was dann zu der nicht unbedenklichen Folge führt, daß von aus-
drücklichen entgegenstehenden Bestimmungen abgesehen, die Zustän-
digkeit des Monarchen zur Behördenorganisation eine unbeschränkte ist.