Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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denken wie wir wollen, so müssen wir uns doch von ihnen leiten lassen, 
Der Staat wird gegen das verpönten Maximen entsprechende Handeln reagie- 
ren. Ein überaus anschauliches Beispiel der Forderung des Handelns nach ge- 
gebenen leitenden Vorstellungen bilden die Strafbestimmungen der Caro- 
lina gegen das Laster Sortilegii, Magiae und Zauberei, welche zur Ent- 
wicklung einer hochgelehrten Literatur geführt haben, die formale Beweis- 
theorie, ein modernes Beispiel die Strafsanktionen gegen gewisse Formen 
der Verleugnung der Existenz Gottes, die Annahme der Willensfreiheit im 
modernen Strafrecht 3°, die Weisung an die Gerichte, von der Vorstellung 
auszugehen, daß Jedermann alle Gesetze bekannt sein müssen?”. So 
schreiben uns denn die Auslegungsvorschriften ge- 
radezu vor, dem Staate einen vernünftigen, ziel- und zweckbewußten 
Willen zuzuschreiben, und die modernen Gesetze lehren, wie viel Schmeichelei 
der Staat in diesem Punkte verträgt ®. Das österreichische Vereinsgesetz 
vom Jahre 1867 verbietet Vereine mit Zwecken, welche der Rechtsordnung, 
somit den Zwecken der Rechtsordnung widerstreben und $ 26 a. b. Gb. 
läßt uns als solche Zwecke Verletzungen der Sicherheit der öffentlichen 
Ordnung, der guten Sitte erkennen; $ 364 1. c. spricht von den in den Ge- 
setzen zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohls vorge- 
schriebenen Einrichtungen, $& 365 von der Enteignung durch den Staat, 
wenn es das allgemeine Beste erheischt. Dazu kommt noch die dienst- 
rechtliche Bestimmung, daß die Staatsbeamten, das Beste des Staates zu 
verfolgen oder wie dies Th. II Tit. 10 $ 1 des preußischen Landrechts sagt, 
die Sicherheit, die gute Ordnung und den Wohlstand des Staates zu unter- 
3 Vgl. auch die Vorstellungsnormen: Quod quis per aliam fecit, ipse 
fecisse videtur, res judicata pro veritate habetur, nasciturus pro jam nato 
habetur (richtiger habetor) usw. 
27 So ungeheuerlich diese Zumutung ist, so wird sie aufrecht erhalten 
werden, so lange keine humanere Konstruktion gelungen sein wird, die 
ihre Zwecke zu erfüllen vermag. Wenn man übrigens an den Konventiona- 
lismus denkt, durch welchen mittels der dem Staate zuzurechnenden Praxis 
des englischen Parlaments als Gerichtes kodifiziertes Recht zwar nicht auf- 
gehoben, aber für die Dauer der Praxis kalt oder zur Disposition gestellt 
wird, dann an die bedeutsame konstruktive Tätigkeit der englischen Ge- 
richte (HATsoHEk, Englisches Staatserecht I, S. 103 ff.), des französischen 
Staatsrates, der deutschen Verwaltungsgerichte, der Disziplinargerichte, so 
entsteht die Frage, ob der moderne Staat wirklich ganz in dem Sinne 
Rechtsstaat sei, daß eine Koinzidenz des Aussprechens und der Anwendung 
des Rechtssatzes schlechthin ‚ausgeschlossen ist, daß nur nach bestehenden, 
präformierten Rechtssätzen geurteilt werden darf ? 
ss Obstruktion und passive Resistenz lehren übrigens, welche idiotische 
Auslegung selbst vom technischen Standpunkt passable Gesetze vertragen.
	        
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