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findung, das ganze Verfassungsrecht als Gesetzgebungsprozeßrecht, das
Verwaltungsrecht als ausgesprochenes Recht der von staatswegen zu ver-
folgenden Zwecke, die rechtsstaatlichen Einrichtungen zur Aufhebung des
nicht disziplinarwidrigen Unrechts der Organe der Exekutive, die Fest-
stellung der das Recht beherrschenden, darum juristischen Vorstellungen
aus dem Rahmen rechtswissenschaftlicher Behandlung hinauszufallen hätte,
ohne daß eine Uebernahme dieses verwaisten Forschungsstoffs durch eine
andere Wissenschaft zu erwarten wäre und daß binter dem Schleier, den
KELSEN von dem Geheimnis des Rechts begriffs weggezogen zu haben
vermeint, bei genauer Betrachtung nichts zu sehen sein wird 5%,
Ernst Landsberg, Geschichte der deutschenRechtswissen-
schaft. Dritte Abteilung. München und Berlin 1910, Oldenbourg.
Rezensieren ist kein ganz erfreuliches Geschäft und manch einer tut
nur mit, um nicht diese erste Bewertung der wissenschaftlichen Arbeit
ganz und gar in die Hand der Anfänger zu legen, wie das sonst unab-
weislich geschieht. Gerade darum bedeutet es für den Rezensenten einen
Sonntag, wenn er ein so prächtiges Buch, wie das angezeigte, zu be-
sprechen hat. Im mächtigen Strom fließt diesem die Darstellung dahin
und bietet auch dem, der etwas von der Materie zu wissen glaubt, eine
Fülle von neuen Tatsachen und Zusammenhängen. Zudem liegt auf dem
Stoffs zur Formulierung als subjektiven Rechts und als subjektiver Pflicht,
scheint mir KELSEN, S. 664 ff., mehr Schwierigkeiten als nötig zu machen.
Es handelt sich um die Anknüpfung zweier verschiedener Re-
lationen an denselben Tatbestand wie bei der relativen Nich-
tigkeit. Unter dem Gesichtspunkte der Zugänglichkeit zu ehrendem Dienste
für das Vaterland kann die Wehrtätigkeit zu einem Gegenstand eines
Zulassungsanspruchs und zugleich unter dem Gesichtspunkte des staatlichen
Interesses zum Gegenstand eines staatlichen Anspruchs erhoben werden.
Die Betriebstätigkeit konzessionierter Privatbahnen ist im Hinblick auf ihr
ökonomisches Interesse ihr Recht, im Hinblick auf das staatliche Ver-
kehrsinteresse ihre Pflicht.
66 Wine die Untersuchungen KELSENs beherrschende, nicht begreifliche
Inkonsequenz ist es, daß er Willen und Handeln des Staates als
juristische Begriffe untersucht und mit ihnen als juristischen
Realitäten operiert, daß er aber die Realität anderer juristischer Be-
griffe an dem Maßstab der Realität von Stein, Pflanze, Tier, Mensch usw.
mischt und sie unter diesem Gesichtspunkt ale Unsinn verwirft. Unwill-
kürlich ‘drängt sich dem Leser bei dieser Art der Behandlung juristischer
Begriff! der Ausspruch Ungers (Mosaik 1911 S. 120) auf: „Von Logik
alleinkannauch die Jurisprudenz nicht leben“.