Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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gänzliches Entbehren der Freiheit war nach diesen Mitteilungen 
die germanische Unfreiheit niemals. In der Folge hatte sie dann 
verschiedene Abstufungen, je nachdem die Besiegten behandelt 
wurden: man forderte von ihnen nur Abgaben, wodurch sie zins- 
pflichtig wurden, aber politische Rechte dennoch ausüben konnten, 
oder man nahm ihnen Grund und Boden und ließ sie darauf 
als Hörige, und wenn sie gar keine politischen Rechte ausüben 
durften, als Leibeigene arbeiten. Eine genaue Umschreibung 
dieser Begriffe und Klassen ist nicht möglich, der Spielarten sind 
zu viele. Auch arme und zurückgekommene Freie, nachgeborene 
und außereheliche Kinder unvermögender Freier ließen sich zu 
Hörigen machen, oder gewaltsame Herrn setzten allmählich Rechte 
durch, die ihnen nicht gebührten. Außerhalb des Kontinents 
waren die Verhältnisse ähnlich: in England bestanden die Un- 
freien aus den Abkömmlingen römischer Sklaven von der Zeit 
der römischen Herrschaft her, aus kriegsgefangenen Briten, aus 
andern unterworfenen Feinden und aus ehemaligen Freigeborenen, 
die wegen Schulden oder Verbrechen in Unfreiheit gefallen waren. 
Für die Zeit zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert glaubt JAKOB 
({RIMM annehmen zu dürfen, daß in Deutschland die Zahl der 
Unfreien etwa die Hälfte des Landvolks betragen habe. Günstiger 
war das Verhältnis in England, man zählte zur Zeit der nor- 
mänischen Erorberung nur etwas über 25 000 Unfreie. Die Kirche 
hat dem Sklaven überall eine menschenwürdigere Behandlung 
verschafft, seinen Verkauf und seine Tötung mit Kirchenstrafen 
belegt, auch hat sie viele Freilassungen erwirkt, besonders im 
angelsächsischen Reiche finden wir Beispiele dieser Wirksamkeit. 
Daß aber immer wieder Freie durch Verschuldung zu Hörigen 
wurden, nahm auch nach Einführung des Christentums seinen 
Fortgang. Die Dichter des Mittelalters verkündeten zwar das 
gleiche Recht der Menschen: „Wir wachsen zu gelichem Dinge“ 
sang WALTHER VON DER VOGELWEIDE und spottete, wer denn 
noch, wenn er ihre Gebeine finde, den Herren von dem Knechte
	        
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