Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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Bürgers eingreifen. Diese Verfassungsgerichtsbarkeit erfüllt damit zweifel- 
los Aufgaben, die in Deutschland den Verwaltungsgerichten übertragen 
sind. Aber das Gebiet der Verfassungsgerichtsbarkeit ist viel enger als das 
der eigentlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Beurteilung von Rechts- 
verletzungen, die von eidgenössischen Behörden begangen werden, fälltnämlich 
ebensowenig in die bundesgerichtliche Zuständigkeit, wie die Kontrolle über 
die Auslegung des kantonalen Gesetzesrechtes (im Gegensatz zu dem Ver- 
fassungsrecht). So bedeutungsvoll auch die Verfassungsgerichtsbarkeit des 
Bundesgerichtes für die Schweiz ist, so bietet sie doch keinen Ersatz für 
eine normale Verwaltungsrechtspflege. 
Die Einsicht, daß nach dieser Richtung die Rechtsschutzeinrichtungen 
eine Lücke aufweisen, hat sich in der Schweiz in den beiden letzten Jahr- 
zehnten in steigendem Maße Bahn gebrochen. Der kantonale Gesetzgeber 
ist auch hier, wie auf so vielen andern Gebieten, dem Bundesgesetzgeber 
mit dem guten Beispiel vorangegangen. Der Verfasser der vorliegenden 
lehrreichen Schrift hat das weitschichtige und zerstörte Material mit Um- 
sicht gesammelt und den Stoff übersichtlich gruppiert. Er zeigt, wie die 
kantonale Gesetzgebung zunächst im allgemeinen einen Rechtsschutz auf 
dem Gebiete des Verwaltungsrechts durch die Zuweisung bestimmter Arten 
von Verwaltungsstreitsachen an die ordentlichen Gerichte hergestellt hat 
und wie sie dabei ähnlich zu Werke gegangen ist, wie die reichsdeutschen 
Gesetze über die „Erweiterungen des Rechtswegs“. Eine Weiterbildung hat 
sodann das Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege für den Kanton Basel- 
Stadt, vom 9. März 1905, gebracht. Er hat das kantonale Appellationsge- 
richt, die ordentliche Berufsinstanz für Zivil- und Strafsachen, gleichzeitig 
zum kantonalen Verwaltungsgericht gemacht und ihm, nach der Enumerations- 
methode, eine ganze Reihe von Verwaltungsstreitsachen zugeschieden. Ebenso 
hat durch Gesetz vom 31. Oktober 1909 der Kanton Bern für seinen Be- 
reich ein eigenes Verwaltungsgericht gegründet und das Verwaltungsstreit- 
verfahren vor den Verwaltungsbehörden neu geordnet. Der Bundesgesetz- 
geber dagegen ist bis heute in seiner Passivität verharrt. Die Schwierig- 
keit liegt hier auf dem organisatorischen Gebiet. Der Bund besitzt keine 
selbständig verfügenden Mittelinstanzen in seiner Verwaltungsorganisation. 
Der Bundesrat ist seit dem Jahre 1848 die Bundesverwaltungsbehörde ge- 
blieben ; er hat alle Sachen der Zentralverwaltung kollegialiter zu besorgen. 
Der — an eine außerordentliche Machtvollkommenheit gewöhnte — Bundes- 
rat hat sich aber bis heute dagegen gewehrt, der Kontrolle eines Verwal- 
tungsgerichts unterstellt zu werden. Die Einführung einer unabhängigen 
Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bund bedingt daher eine Dezentralisation 
der Bundesverwaltung, und mit JENNY wünschen wir, daß die Erfüllung 
dieses pium desiderium nicht ad calendas Graecas vertagt werde. 
Heidelberg. F. Fleiner. 
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