Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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1856—1866, 14 Bde. Der heutigen Generation ist er mehr in der Erinnerung 
als Politiker aus seiner Tätigkeit als Abgeordneter in der zweiten 
badischen Kammer und im Parlament in Frankfurt 1848/49. Seine staats- 
rechtlichen Lehren sind, wie der Verfasser der vorliegenden Schrift selbst 
anerkennt, veraltet und ohne nachhaltige Wirkung geblieben; für eine 
historische Betrachtung aber scheinen sie unserem Verfasser besonders in- 
teressant, in ihnen tritt das ganze Ringen der Zeit besonders deutlich ent- 
gegen, sie zeigen, welche Bedenken die einzelnen Probleme für diese Zeit 
hatten, wie schwer es ihr wurde, sich aus dem Bannkreis der naturrecht- 
lichen Lehre loszureißen und sich zu der modernen Staatsauffassung durch- 
zuarbeiten, wie viele Vorurteile hiezu zu überwinden waren, und wie viele 
praktische Erfahrungen gemacht werden mußten; sie stellen sich dar als 
eine Vermittelung zwischen den großen Systematikern und zugleich als eine 
Vermittelung zwischen diesen und der neuen Zeit. Von diesem Standpunkt 
aus wird WELCKERS Lehre einer eingehenden Betrachtung und Würdigung 
unterzogen und dabei insbesondere sein Verhältnis zu der Naturrechtslehre, 
zu den maßgebenden Philosophen, namentlich KANT, SCHELLING, FICHTE, 
HEGEL und zu der historischen Schule hervorgehoben. Unter diesen Ge- 
sichtspunkten wird in sechs besonderen Abschnitten, S. 7—108, erörtert der 
methodische Charakter von WELCKERs Lehre, seine Lehre über die Ent- 
wickelung von Recht und Staat, sein Individualismus, seine Auffassung 
von den Grundlagen des Staats, vom Zweck des Staats und schließlich seine 
organische Staatsauffassung; es würde zu weit führen, in allen diesen Rich- 
tungen unsern Verfasser auf seinen Gedankengängen zu begleiten, wir be- 
schränken uns darauf, über den Kulminationspunkt der Lehre WELCKERS 
seine organische Staatsauffassung, die er in dem modernen 
konstitutionellen Rechtsstaat am vollkommensten verwirklicht findet, kurz 
folgendes zu bemerken: 
Nach WELCKERS Auffassung ist der StaateinlebendigerOrganis- 
mus, auf einem lebendigen Willen beruhend, in dem sich Einheit und 
Vielheit schroff gegenüberstehen und wieder harmonisch vereint werden. 
Der Staat ist für ihn nicht deshalb ein Organismus, weil er auf einer 
Naturnotwendigkeit beruht, sondern vielmehr, weil in ihm ein eigenes Leben, 
das alle seine Glieder durchdringt und zusammenhält, herrscht. Der Staat 
ist notwendige Willenseinheit, nur diese, das lebendige Gesetz 
aller, der allgemeine Wille gibt dem Ganzen Leben, Kraft und Einheit, den 
einzelnen Kräften Harmonie und Wirksamkeit; im Rechtsstaat kann diese 
Willenseinheit nur entstehen durch gemeinschaftliche freie Debereinstimmung 
über das, was für alle recht und heilsam ist, durch den allgemeinen Willen 
der Bürger, geleitet durch ihre gemeinschaftliche Religion, Moral und 
Bildung. Im Staatsleben treten uns zunächst zwei scheinbar widersprechende 
Hauptelemente entgegen, 1. eine Vielheit einzelner Menschen, selbständig 
freier Individuen, 2. eine Einheit des Staats, eine umfassende einheitliche 
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