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kann ich mich dem Verfasser anschließen, wenn er (S. 213) bei der Be-
handlung der Bundesstaaten „war zugibt, daß sie mehr als Provinzen seien,
aber doch Staatscharakter und Souveränität verloren hätten. Letzteres ist
richtig, aber nach den eigenen Ausführungen des Verfassers ja auch über-
flüssig. Die Tatsachen aber zeigen, daß auch den Gliedern der Bundes-
staaten sehr wohl Staatscharakter zukommen kann, und daß es ledig-
lich Frage des bezüglichen Staatsrechts ist, ob er ihnen in der Tat zu-
kommt.
Mit pe LoUTER bin ich für Annahme der Existenz völkerrechtlicher
Grundrechte (S. 232—250), die, auch wenn man kein Anhänger naturrecht-
licher Prinzipien ist, sehr wohl möglich sind. M. E. sind sie besonders
wichtige, durch das Gewohnheitsrecht erstarkte und — das scheint mir der
Kern der Sache zu sein — universell geltende Völkerrechtssätze.
Bei der Eigenart des Werkes als eines modernen Lehrbuchs im besten
Sinne des Wortes ist es auch zu verstehen, wenn sich DE LOUTER gegen die
Uebertragung privatrechtlicher, insbesondere romanistischer Gebilde auf das
Völkerrecht wendet und das Institut der völkerrechtlichen Servituten in
das Gebiet der „völkerrechtlichen Antiquitäten“ verweist (S. 339)! Ob
freilich die sogen. servitutes necessariae (Verschaffung der Vorflut —
nebenbei bemerkt eine Frage, die in dem augenblicklichen Streit zwischen
Bayern und Oesterreich eine gewisse Aktualität besitzt) — wie DE LOUTER
meint, in den Grundrechten ihre Erklärung finden? Der Zweck dieser Be-
sprechung verbietet, hier näher darauf einzugehen.
Den Schluß des ersten Bandes bilden Ausführungen über die Verträge
des Völkerrechts, denen der Verfasser, ihrer Bedeutung entsprechend, rund
100 Seiten (451—556) widmet. Er wendet sich hier gegen die etwas will-
kürliche Auffassung derjenigen, die nicht alle Verträge zwischen Staaten,
sondern nur solche, die staatliche Hoheitsrechte zum Gegenstand haben,
unter den Begriff „Staatsvertrag“ subsumieren wollen. Mit Recht wirft
er (S. 455) die Frage auf, wo man solche Verträge unterbringen wolle,
da sie doch nicht iuris privati seien und auch nicht lediglich von der Moral
abhängen könnten.
Den Rechtsgrund der verbindenden Kraft des Vertrags erblickt er
in dem Fundamentalsatz alles Rechts, der bona fides. Ich glaube, dem
beistimmen zu können. Denn wenn einmal ein Hinweis auf Vorgänge des
Privatrechts, von deren Verwertung für das Völkerrecht DE LOoUTER mit
gutem Grund wieder und wieder warnt, gestattet ist, so ist derselbe Vor-
gang in ihm zu konstatieren. Auch dort offenbart sich der Grundsatz von
Treu und Glauben zunächst in der Gewohnheit, um erst später in Gesetzen
! Von besonderer Bedeutung ist diese Auffassung mit Rücksicht auf
die bekannten Ausführungen des Haager Schiedsgerichts in der North
Atlantic coast Fisheries-Frage.
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