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Kolonien eine gewisse Selbstverwaltung zu geben und der scharfen Ab-
lehnung, die der von den Vertretern der Usambarapflanzungen vorgetragene
Wunsch der ostafrikanischen Kolonisten nach Heranziehung zur Verwaltung
des Schutzgebiets erfuhr, nimmt der Verfasser zum Ausgangspunkt seiner
Untersuchungen. Durchaus zutreffend löst er die Divergenz durch den
Hinweis darauf, daß der Staatssekretär lediglich die Stellung des einzelnen
Schutzgebiets zur Zentralverwaltung und die Verwaltung der Kolonie durch
eigene, im Schutzgebiet wurzelnde Organe, die Kolonisten die Einrichtung
von Kommunalverbänden in den Kolonien im Auge gehabt hätten. Um den
ersten Begriff wissenschaftlich zu erfassen, unternimmt es RADLAUER, in
eine Untersuchung über das rechtliche Verhältnis zwischen Mutterland und
Kolonie einzutreten. Im Gegensatz zur herrschenden Lehre will er den
Begriff des Nebenlandes durch den des Tochterlandes ersetzt wissen. Hier-
mit solle zum Ausdruck gebracht werden, daß die Kolonie als in der
staatsrechtlichen, väterlichen Gewalt des Mutterlandes (S. 6) stehend, die
er bewußt der altgermanischen Munt gleichsetzt, angesehen werden müsse.
Die Ausführungen des Verfassers zur Begründung dieser Auffassung haben
mich nicht zu überzeugen vermocht. Gegen die Einführung des Mundial-
begriffs lassen sich, ganz abgesehen von dem Bedenken gegen die Ueber-
tragung privatrechtlicher, einer fernen Vergangenheit angehörenden Be-
griffe auf das Öffentliche Recht überhaupt, in verschiedener Richtung
Argumente anführen. Zwar ist es richtig, daß ebenso wie das Mündel auch
das Land fähig ist, jenes zivilistische Handlungsfähigkeit, dieses staat-
liche Hoheitsrechte zu erlangen, und wie schon im ältesten deutschen
Rechte dem Muntporo die Möglichkeit gegeben war, das Mündel aus der
Gewalt zu entlassen, so hier dem Zentralstaat freisteht, Hoheitsrechte auf
das „Mündel* zu übertragen und ihm damit zu eigenem Staatsleben zu
verhelfen. Gerade in letzterer scheinbaren Parallele zeigt sich aber
der Unterschied. Entließ der Gewaltherr seinen Gewaltunterworfenen aus
der väterlichen Munt, so war damit, vorausgesetzt, daß die Entlassung
nicht nur in adoptionem erfolgte (vgl. SCHRÖDER, Lehrbuch der deutschen
Rechtsgeschichte, 5. Auflage, 1907, S. 68), die völlige, rechtliche Unab-
hängigkeit des Mündels kraft des bestehenden objektiven Rechts begründet,
während die Uebertragung von Hoheitsrechten auf die Kolonie lediglich
bedeutet, daß das Mutterland ihm zustehende Rechte aus der Totalität
seiner Rechte abspaltet und diese abgeleiteten Befugnisse dem Tochter-
lande gewährt, ohne daß die zwischen beiden bestehende rechtliche Verbin-
dung gelöst würde oder nach dem, auch von RADLAUER richtig erkannten
egoistischen Zweck jeglicher Kolonisation, gelöst werden sollte. Anderer-
seits aber führt ihre Annahme — wenn man den Begriff der altdeutschen
Munt richtig versteht — gerade zu einem, dem des Verfassers entgegenge-
setzten Resultat. Denn gerade die Entfaltung der staatsrechtlichen Persön-
lichkeit des Mündels, d. h. die Verleihung größtmöglicher politischer und