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Die Stellung der beiderseitigen Staatsangehörigen nach
dem deutsch-schweizerischen Niederlassungsvertrag
vom 13. November 1909 und dem Zusatzabkommen vom
31. Oktober 1910. Von Dr. K. Strupp, Frankfurt a. M.
Der Wunsch, den Niederlassungsvertrag mit der Schweiz vom 31. Mai
1890! durch Anpassung an den deutsch-niederländischen Vertrag vom
17. Dezember 1904? zu modernisieren und Zweifelsfragen, die sich besonders
an Art. 2 der Konvention von 1890 knüpften, zu beseitigen, hat die deutsche
Regierung veranlaßt, im Frühjahr 1906 dem schweizerischen Bundesrat eine
Revision des Vertrags vorzuschlagen. Nach längeren, in Bern geführten
Verhandlungen?, wurde am 13. November 1909 durch die beiderseitigen
Bevollmächtigten der neue Niederlassungsvertrag unterzeichnet. Nicht auf-
genommen wurden die Grundsätze des bisherigen Vertrags über Rechts-
schutz und Ausübung von Handel und Gewerbe. Sie bilden den Gegen-
stand eines besonderen, am 31. Oktober 1910 abgeschlossenen Ver-
trags°.
Den Inhalt beider Abkommen unter Vergleichung mit dem älteren von
! FLEISCHMANN, Völkerrechtsquellen 1905, S, 224, MARTENS, Nouveau
recueil general de traites, 2iöme serie XVI1 439; HEINRICHS, Deutsche Nieder-
lassungsverträge und Uebernahmeabkommen, 1908, S. 62; v. ROHLAND,
Völkerrrechtsquellen, 2. Auflage, 1908, S. 34.
2 v. ROHLAND, S. 41; HEINRICHS a. a. O., S. 17; RENAULT et DESCAMPS,
Recueil international des traites du XXieme siecle, 1904, p. 1114.
8 Sie sind ausführlich dargestellt in der Botschaft des Bundesrats an
die Bundesversammlung vom 10. Febr. 1911, die mir das politische Departe-
ment der schweizerischen Eidgenossenschaft in Bern in liebenswürdiger
Weise zur Verfügung gestellt hat.
* Hierüber sagt die Botschaft (S. 5): „Es unterblieb dies auf besonderen
Wunsch der deutschen Delegierten, welche erklärten, daß nach der zurzeit
in Deutschland geltenden Auffassung derartige Bestimmungen nicht einen
Bestandteil der Niederlassungsverträge bilden könnten, indem letztere aus-
schließlich die Niederlassung als solche, bezw. deren Voraussetzungen zu
regeln hätten.* Vgl. auch die dem deutschen Reichstag vorgelegte Denk-
schrift (Drucksachen des Reichstags, 12. Legislaturperiode. II. Session 1909/11
Nr. 779 Seite 8).
5 Beide Verträge sind seither von der schweiz. Bundesversammlung
ratifiziert, wie auch vom Bundesrat und Reichstag (in der Bundesversamm-
lung wie im Reichstag nicht ohne starke Opposition, die sich in Bern be-
sonders gegen Art. 1 Abs. 2 richtete), angenommen worden. Eine Ver-
kündigung im Reichsgesetzblatt war bei Abschluß dieser Arbeit noch nicht
erfolgt. — Im Wortlaut finden sich beide Abkommen in meinen Urkunden
zur Geschichte des Völkerrechts, 1911, Band II, S. 287.