Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

— 413 — 
1890 und dem deutsch-niederländischen darzustellen, soll den Zweck der 
nachfolgenden Erörterungen bilden, die, wie ich hoffe, umso höherem In- 
teresse begegnen dürften, als die Regelung der Stellung der Angehörigen 
fremder Staaten gerade durch den deutsch-schweizerischen Niederlassungsver- 
trag in Lehrbüchern des Völker- wie des Staatsrechts besonders hervorgehoben 
zu werden pflegt®. Schon Art. 1 Absatz 1 des neuen Vertrags? enthält 
— in wörtlicher Uebereinstimmung mit dem deutsch-niederländischen Ab- 
.kommen — eine wichtige Abweichung gegenüber dem Vertrag von 18%. 
Während dieser in Art. I Absatz 1 die den beiderseitigen Staatsangehörigen 
zu gewährende — relative®e — Gleichstellung dahin umschreibt: „Die 
Deutschen? sind in jedem Kanton der Eidgenossenschaft in bezug auf Person 
und Eigentum auf dem nämlichen Fuß und auf die nämliche Weise auf- 
zunehmen und zu behandeln, wie es die Angehörigen der anderen Kantone 
sind oder noch werden sollten. Sie können insbesondere in der Schweiz 
ab- und zugehen und sich daselbst dauernd oder zeitweilig aufhalten, wenn 
sie den Gesetzen und Polizeiverordnungen nachleben* — lautet die neue 
Bestimmung: „Die Angehörigen jedes vertragsschließenden Teiles sollen 
berechtigt sein, sich in dem Gebiet des anderen Teiles ständig niederzu- 
lassen, wenn und solange sie die dortigen Gesetze und Polizeiverordnungen 
befolgen.“ In dieser Formulierung liegt zuvörderst Ersatz der formellen 
durch die materielle Reziprozität. Nicht mehr wird auf die gleiche Behand- 
lung der Angehörigen des Reichs und der Schweizer abgestellt, sondern 
positiv wird der Inhalt der Gleichstellung als Niederlassungs- und zeitweilige 
bezw. dauernde Aufenthaltsfreiheit umschrieben !°. Als juristisch-technischer 
Fortschritt ist es auch zu begrüßen, daß man den Inhalt der individuellen 
Freizügigkeit durch Gegenüberstellung des Begriffs „ständige Niederlassung 
° Vgl. z. B. v. Liszt, Lehrbuch des Völkerrechts, 6. Aufl. 1910, S. 184; 
NEUMEYER, Internationales Verwaltungsrecht I 1910, bes. S. 3, 11, 12; 
LABAND, Das Staatsrecht des deutschen Reichs, 5. Aufl., I 1911, S. 154, 
Anm. 1; v. OVERBECK, Niederlassungsfreiheit und Ausweisungsrecht. Dar- 
gestellt auf der Grundlage des deutsch-schweizer. Vertrags vom 31. Mai 1890 
(Freiburger Abhandlungen Heft X) 1907 und im Archiv f. öff. Recht XXIIL 
S. 123. MEYER-DocHow, Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts, 3. Aufl. 
1910, S. 144, Anm. 11. 
” Sofern nichts anderes bemerkt ist, meine ich damit den Niederlassungs- 
vertrag. 
8 V. OVERBECK, Niederlassungsfreiheit, S. 32, A. 88. 
® Eine entsprechende Bestimmurg für die Schweizer in Art. 3. 
10 Ihre Hervorhebung im Vertrag von 1890 hat nur exemplifikatorische 
Bedeutung; v. OVERBECK, Archiv f. ö. R. a. a. O., S. 125, Anm. 3a.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.