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1890 und dem deutsch-niederländischen darzustellen, soll den Zweck der
nachfolgenden Erörterungen bilden, die, wie ich hoffe, umso höherem In-
teresse begegnen dürften, als die Regelung der Stellung der Angehörigen
fremder Staaten gerade durch den deutsch-schweizerischen Niederlassungsver-
trag in Lehrbüchern des Völker- wie des Staatsrechts besonders hervorgehoben
zu werden pflegt®. Schon Art. 1 Absatz 1 des neuen Vertrags? enthält
— in wörtlicher Uebereinstimmung mit dem deutsch-niederländischen Ab-
.kommen — eine wichtige Abweichung gegenüber dem Vertrag von 18%.
Während dieser in Art. I Absatz 1 die den beiderseitigen Staatsangehörigen
zu gewährende — relative®e — Gleichstellung dahin umschreibt: „Die
Deutschen? sind in jedem Kanton der Eidgenossenschaft in bezug auf Person
und Eigentum auf dem nämlichen Fuß und auf die nämliche Weise auf-
zunehmen und zu behandeln, wie es die Angehörigen der anderen Kantone
sind oder noch werden sollten. Sie können insbesondere in der Schweiz
ab- und zugehen und sich daselbst dauernd oder zeitweilig aufhalten, wenn
sie den Gesetzen und Polizeiverordnungen nachleben* — lautet die neue
Bestimmung: „Die Angehörigen jedes vertragsschließenden Teiles sollen
berechtigt sein, sich in dem Gebiet des anderen Teiles ständig niederzu-
lassen, wenn und solange sie die dortigen Gesetze und Polizeiverordnungen
befolgen.“ In dieser Formulierung liegt zuvörderst Ersatz der formellen
durch die materielle Reziprozität. Nicht mehr wird auf die gleiche Behand-
lung der Angehörigen des Reichs und der Schweizer abgestellt, sondern
positiv wird der Inhalt der Gleichstellung als Niederlassungs- und zeitweilige
bezw. dauernde Aufenthaltsfreiheit umschrieben !°. Als juristisch-technischer
Fortschritt ist es auch zu begrüßen, daß man den Inhalt der individuellen
Freizügigkeit durch Gegenüberstellung des Begriffs „ständige Niederlassung
° Vgl. z. B. v. Liszt, Lehrbuch des Völkerrechts, 6. Aufl. 1910, S. 184;
NEUMEYER, Internationales Verwaltungsrecht I 1910, bes. S. 3, 11, 12;
LABAND, Das Staatsrecht des deutschen Reichs, 5. Aufl., I 1911, S. 154,
Anm. 1; v. OVERBECK, Niederlassungsfreiheit und Ausweisungsrecht. Dar-
gestellt auf der Grundlage des deutsch-schweizer. Vertrags vom 31. Mai 1890
(Freiburger Abhandlungen Heft X) 1907 und im Archiv f. öff. Recht XXIIL
S. 123. MEYER-DocHow, Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts, 3. Aufl.
1910, S. 144, Anm. 11.
” Sofern nichts anderes bemerkt ist, meine ich damit den Niederlassungs-
vertrag.
8 V. OVERBECK, Niederlassungsfreiheit, S. 32, A. 88.
® Eine entsprechende Bestimmurg für die Schweizer in Art. 3.
10 Ihre Hervorhebung im Vertrag von 1890 hat nur exemplifikatorische
Bedeutung; v. OVERBECK, Archiv f. ö. R. a. a. O., S. 125, Anm. 3a.