Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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muß“, ein Heimatschein und ein Leumundszeugnis der Gemeindebehörde 
das Zeugnis des diplomatischen Vertreters ersetzen !. Bei den Beratungen, 
die dem Abschluß des neuen Abkommens vorausgingen, war man sich von 
vornherein darüber einig, daß das in dem bisherigen Vertrag von deutschen 
Reichsangehörigen verlangte Gesandtschaftszeugnis, mit dem man wenig 
günstige Erfahrungen gemacht hatte, wegzufallen und der Heimatschein 
an seine Stelle zu treten habe. Meinungsverschiedenheit herrschte jedoch 
über die Frage, ob auch noch fernerhin ein Ausweis über den Leumund zu 
fordern oder darauf zu verzichten sei. Deutscherseits wurde mit Recht 
geltend gemacht, „daß ein solches Erfordernis angesichts der heutigen Be- 
strebungen, die auf möglichste Freiheit des Verkehrs abzielen, nicht mehr auf- 
recht erhalten werden könne, und die Schweiz gegenüber den Einwanderern aus 
den drei Nachbarstaaten das Postulat eines Leumundszeugnisses nicht auf- 
stelle“1”. Da sich auch die Schweizer Regierung diesen Gründen nicht ver- 
schließen konnte '®, einigte man sich dahin, das Verlangen eines Leumunds- 
zeugnisses fallen zu lassen. Jedoch wurde gleichzeitig durch Notenaustausch 
die Zulässigkeit eines Informationverfahrens in dem Sinne eingeführt, daß 
die Polizeibehörden des Aufenthaltsstaates bei denen des Heimatstaates 
über das Vorleben der zugezogenen Personen im Wege des direkten Ge- 
schäftsverkehrs Auskunft einholen können. Prinzipiell ist somit formelles 
Maximalerfordernis für die Aufnahme die Beibringung eines gültigen 
Heimatscheins'®, ohne daß es jedoch dem Aufnahmestaat verwehrt wäre, 
auch hiervon abzusehen °®. 
18 In dem ältesten Niederlassungsvertrag zwischen dem deutschen Reich 
und der Schweiz vom 27. April 1876 (MARTENS, Nouveau recueil general 
de traites, 2i&me ser. II 54; RGBl. 1877, S. 3; BBL. 1876, III, S. 883) war, 
darüber hinausgehend, für beide Teile als weiteres Erfordernis der Nach- 
weis des Vollbesitzes der bürgerlichen Ehrenrechte verlangt. 
Vgl. den Bericht des schweizer. Bundesrats, S. 3. 
ı8 Vgl. auch die weitere Begründung im Bericht (S. 3) . „da der 
die Niederlassung gewährende Staat kein Mittel der Kontrolle hat, ob der 
unbescholtene Leumund im Hinblick auf das Vorleben des Bewerbers be- 
steht, und die Würdigung der in Betracht kommenden Verhältnisse in das 
Ermessen der das Leumundszeugnis verabfolgenden Behörde gestellt ist... .“ 
1% Nach Art. I, 2 des Vertrags mit den Niederlanden genügt ein Paß 
oder ein „anderes genügendes Ausweispapier“. S. darüber v. ROHLAND, 
S. 41, Anm. 3; OVERBECK im Archiv, S. 126, Anm. 7. 
2° Den umgekehrten Standpunkt hatte bekanntlich anläßlich des Falles 
Wohlgemuth die deutsche Regierung eingenommen. Vgl. v. Sauıs, II, 480; 
LANGHARD, Recht der politischen Fremdenausweisung mit besonderer Be- 
rücksichtigung der Schweiz, 1891, S. 8—12; AFFOLTER im Arch. d. ö. R., 
VI, 318 f.; v. OvERBECK, Niederlassungsfreiheit, S. 51, 52.
	        
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