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Staat (wohl wird auch der unbestimmte Ausdruck „heutiger Staat“ manch-
mal herbeigezogen: S. 64, 82, 108, 118) der ja nicht notwendigerweise demo-
kratisch zu sein braucht. Daß die Demokratie eine besondere, in genauen
rechtlichen Zügen sich darstellende Regierungsform ist, kommt hier bei-
nahe gar nicht in Betracht. Nur mit der demokratischen Idee (S. 28, 30,
64—66, 177, 190, 192, 200) und deren Verwirklichung in allerlei sozialen,
politischen, ethischen, rechtlichen Einrichtungen und Erscheinungen (8. 67)
haben wir es zu tun; und aus der ganzen Fülle solcher einzelner Ver-
wirklichungen soll die vollkommene, richtige Idee der Demokratie eben
hervorleuchten (S. 31). Einen bestimmten technischen Begriff gewinnt man
freilich auf diesem Wege schwerlich!
Ideen spielen überhaupt hier durchgängig eine große, überwiegende
Rolle (es heißt ja (S. 186) daß der alte Satz durchaus nicht unbegründet
sei, daß Ideen die Welt beherrschen). Die Rechtsidee wächst aus den
Wurzeln unseres Geistes empor (S. 41, 106, 168), indem sie sich erst vollendet,
wenn die Notwendigkeit, sich einer gegebenen Regel zu unterwerfen, von
der Außenwelt in das Bewußtsein des einzelnen tief eingedrungen ist
(S. 167. Etwa opinio necessitatis?). Die Tätigkeit des Staates im
unabsehbaren Felde der Förderung der sozialen Lebenselemente soll im
weiten Sinne wohl als eine rechtliche bezeichnet werden können, da sie
eine höchste Gerechtigkeitsidee verwirklicht (S. 111). Die allgemeine Idee
des Syndikalismus ist richtig, insoweit sie als volles, unbeugsames Bewußt-
sein der eigenen Rechte und Pflichten verstanden wird (S. 76). Auch
Rousseaus Vertragstheorie hat einen richtigen Kern insoweit, als sie die
Idee des Bürgers als Ergebnis der politisch-rechtlichen Entwickelung und
Urelement der Organisation der politischen Souveränität hervorhebt (S. 176)
usw.
Dabei wird natürlich öfters mit ganz unbestimmten Ausdrücken und
Redeweisen operiert, als ob sie inhaltlich genau abgegrenzt wären. So
wird der Widerstand, ja selbst der Aufruhr gegen die bestehenden Ein-
richtungen als gerechtfertigt angesehen, wenn es sich darum handelt einen
unerträglichen Zustand zu beseitigen (S. 76), oder eine offene Verletzung
des lebendigen, d. h. aus den Lebensnotwendigkeiten, auch ohne Satzung
entspringenden Rechts, zu bekämpfen (S. 98). Und doch will der Verf. mit
der Naturrechtslehre nichts zu tun haben (S. 106)!
Weiter soll die Rechtmäßigkeit der Beamtenvereine darnach beurteilt
werden, ob sich ihre Tätigkeit in gerechten Grenzen bewegt, und einem
richtigen Begriffe des Fortschrittes entspricht (S. 86). Und ebenso kann
der Klassenkampf nur dann als normale Erscheinung bestehen, wann eine
jede aktive soziale Macht nur die Hindernisse wegzuschaften sich bemüht,
die sich der Entfaltung ihrer rechtmäßigen Kräfte entgegensetzen (S. 140).
Weiter noch soll das freie Ermessen der Staatsgewalt sich im poli-
tischen Felde als wesentlich moralisch offenbaren (S. 204); und den An-