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Zur Lehre von der Gebietshoheit und der
Exterritorialität.
Von
Dr. ERNST RADNITZKY in Wien.
I.
Wiederholt habe ich in diesen Blättern zu der nicht nur in
der deutschen, sondern auch in der ausländischen, namentlich der
italienischen Staatsrechtswissenschaft eingehend erörterten Frage
nach dem Verhältnis zwischen dem Staat und seinem Gebiet das
Wort ergriffen. Meine Abhandlung über die rechtliche Natur
des Staatsgebietes ! war dem Nachweis gewidmet, daß weder die
Auffassung des Staatsgebietes als staatliches Eigentumsobjekt
noch dessen Charakterisierung als Moment im Wesen des Staates,
als dessen Leiblichkeit oder räumliche Erscheinung, ins Schwarze
trifft, daß aber auch alle Lehrmeinungen, die diese beiden extre-
men Theorien in irgend einer Weise zu kombinieren suchen,
wegen der völligen Unvereinbarkeit ihrer Bestandteile unhaltbar
sind. Nach meiner eigenen im Anschluß an diese Polemik ent-
wickelten Auffassung ist Gebietshoheit nichts anderes als die
örtliche Kompetenz, das Staatsgebiet nichts anderes als die ört-
liche Kompetenzsphäre des Staates. Bei dem engen Zusammen-
hang zwischen den Begriffen Gebietshoheit und Meeresfreiheit
ergab sich mir sodann auch eine völlig geänderte Auffassung vom
! Archiv für öffentliches Recht Band XX S. 313 ff.