Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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Reichsduma Schrag gelangte, welcher in der Dumasitzung vom 
29. Juni 1906 gegen L. die Beschuldigung erhoben hatte, eine 
Judenhetze organisiert zu haben. Da die Tatsache einer Ver- 
leumdung nicht konstatiert werden konnte, wurde die Klage ab- 
schlägig beschieden, wobei jedoch das Departement in seiner 
Entscheidung einige prinzipielle Bemerkungen über Sinn und 
Bedeutung des Art. 14 aussprach?. Derselbe schließt, seiner 
Meinung nach, keineswegs Strafbarkeit für Verleumdungen aus, 
die von der Tribüne der Reichsduma ausgesprochen werden, da 
ein Ausdehnen des Unverantwortlichkeitsprinzips auf derartige 
Handlungen den Grundforderungen der Gerechtigkeit wider- 
sprechen würde. 
Mit einem analogen Falle hatte sich im Jahre 1907 der Senat 
zu befassen. Der Bauer Jwan Fedorow, zur Verantwor- 
tung gezogen für Verbreitung unter dem Militär einer in der 
ersten Reichsduma verlesenen „Deklaration der Dumafraktion der 
russischen sozial-demokratischen Arbeiterpartei“ war vom St. Pe- 
tersburger Bezirksgericht freigesprochen worden. Gegen dieses 
freisprechende Urteil reichte der Staatsanwalt einen Kassations- 
protest ein, in welchem er darauf hinwies, daß „das Verbreiten 
® Nach Ansicht des Departements „schließt das den Mitgliedern der Reichs- 
duma zukommende Recht auf völlige Freiheit der Urteils- und Meinungsäuße- 
rung keineswegs ihre Verantwortlichkeit aus, weder für Verleumdungen von 
Privatpersonen, die sich durch das Gesagte beleidigt und in ihrer Ehre und 
gutem Ruf geschädigt erachten, noch für Verleumdungen von Amtspersonen 
durch Bekanntmachung wissentlich falscher, die amtliche Tätigkeit derselben 
betreffender Tatsachen, selbst wenn eine solche Verleumdung in einer in 
der Reichsduma von einem ihrer Mitglieder gehaltenen Rede stattgefunden 
hat. Abgesehen davon, daß es den Grundforderungen der Ge- 
rechtigkeit widerspräche, eine Verleumdung unge- 
straft zu lassen, wen sie auch betreffen mag und in welcher Weise 
und unter welchem Vorwande sie geschah, kann man nicht umhin, anzu- 
erkennen, daß die Bedingungen, unter denen eine Amtsperson sich einer 
verleumderischen Anklage gegen jemanden zu bedienen vermag, gar nicht 
der Art sind, um die Natur des Begriffs der Verleumdung als Delikt ver- 
ändern zu können.“
	        
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