Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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einer verbrecherischen Deklaration mittels Abdruck und Vertei- 
lung in Form von Flugblättern oder einer Veröffentlichung der- 
selben in extenso in der Tages- oder periodischen Presse ohne 
Zusammenhang mit dem ganzen Gang der Dumaverhandlungen 
und unter Weglassung der sie kritisierenden Berichte und Er- 
klärungen ein Beweis sei für das Vorhandensein der Absicht 
einer sträflichen Beeinflussung derjenigen Volksschichten, zur Ver- 
breitung unter denen besagte Deklaration bestimmt war“. An- 
derseits gab er jedoch zu, daß ein Verlesen dieser Deklaration in 
der Reichsduma dem Abgeordneten Dshaparidze nicht inkri- 
miniert werden könne „infolge der den Deputierten gewährten 
Immunität“. Einen diametral entgegengesetzten Standpunkt ver- 
trat der Oberstaatsanwalt des Kriminalkassationsdepartements des 
Senats in seinem Gutachten in der Sache Fedorow. Wenn 
Art. 14 auch von einer völligen Freiheit der Urteils- und Mei- 
nungsäußerung redet, so bedeutet das doch, seiner Ansicht nach, 
nicht „daß es ihnen (d. h. den Mitgliedern der Reichsduma) ge- 
stattet wäre in ihren Reden jemanden zu beleidigen oder das 
Volk zum Aufruhr aufzureizen. Dafür sind sowohl sie als auch 
der Vorsitzende der Reichsduma, der solche Reden von seiten 
ihrer Mitglieder bei der Ausübung dieser ihrer Funktionen zu- 
ließ, unabhängig vom Konsens der Duma, zur strafrechtlichen 
Verantwortung zu ziehen in dem in Art. 22 des Organisations- 
gesetzes der Reichsduma festgesetztem Wege, gleich den obersten 
Chargen der Staatsverwaltung*.“ Wie man sieht zeichnet sich 
der vom Öberstaatsanwalt eingenommene Standpunkt durch seine 
volle Bestimmtheit aus. Irgend welche besondere Vorrechte — 
wenigstens nach westeuropäischen Mustern — kommmen in Ruß- 
land den Volksvertretern nicht zu. Der einzige Unterschied 
zwischen ihnen und gewöhnlichen Staatsbürgern besteht nur in 
der Ordnung, nach der sie zur Verantwortung gezogen werden. 
* Zeitung „Nowoe Wremja“ Nr. 11406.
	        
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