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oder aus Anlaß der Ausübung der Pflichten dieses ihres Amtes
begangen werden.
Eine solche Schlußfolgerung ist — theoretisch — um so zu-
lässiger, als der Ausdruck „bei der Ausübung oder aus Anlaß
der Ausübung von Pflichten“, wie wir weiter unten sehen werden,
eine Neuerung darstellt, da bis zur Veröffentlichung des Organi-
sationsgesetzes der Reichsduma er nur den Fällen gegenüber Anwen-
dung fand, wo eine Amtsperson der durch das Verbrechen ge-
schädigte, nicht aber der schuldige Teil war.
Also ist der Inhalt beider Artikel unabhängig von einander
festzustellen und muß zuerst die Bedeutung und der juristische
Sinn von Art. 14 bestimmt werden.
Hierher sind drei Möglichkeiten vorhanden.
1. Art. 14 gewährt denV olksvertretern völlige Unverantwortlich-
keit, d. h. absolute Straflosigkeit für jegliche Reden, geäußerte
Meinungen usw. unter der Bedingung, daß solches bei der Aus-
übung ihrer Pflichten geschah.
2. Art. 14 verschafit den Mitgliedern der Reichsduma
keinerlei bevorzugte Stellung. Für jegliche Wortdelikte können
sie, wenn auch nur unter Beachtung bestimmter Formalitäten,
zur Verantwortung gezogen werden.
3. Art. 14 legalisiertt eine beschränkte Verantwort-
lichkeit.
Hier sind wieder drei Abstufungen denkbar:
a) daß dieses Vorrecht sich bloß auf bestimmte Kategorien
von Delikten bezieht, ohne sich auf andere auszudehnen ;
b) daß Art. 14 nicht die allgemeine strafrechtliche Verant-
wortlichkeit im Auge hat, sondern eine besondere (disziplinari-
sche, gegenüber bestimmten Personen [z. B. Wählern] oder In-
stitutionen!? usw.);
c) daß das Unverantwortlichkeitsprinzip sich bloß auf solche
10 Für gewählte Mitglieder des Reichsrates.