Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 28 (28)

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Angelegenheiten erstreckt, die der Kompetenz der Reichsduma 
unterstehen. 
Jede dieser Ansichten hat ihre Vertreter und zugunsten 
jeder von ihnen sind mehr oder weniger gewichtige Argumente 
angeführt worden. Unsere Aufgabe ist es nun, sich hier zurecht- 
zufinden und zu zeigen, wer recht und wer unrecht hat. 
Es handelt sich um eine Interpretation einer positiven Norm 
des geltenden russischen Rechts, nur davon kann hier die Rede 
sein. Deshalb sind alle Erwägungen politischer, sozialer oder 
ethischer Natur auszuschließen. Hat der Gesetzgeber das In- 
stitut der Unverantwortlichkeit eingeführt oder nicht? Das ist 
die Frage, welche gelöst werden muß, unabhängig davon, ob 
dieses Institut nach Ansicht einzelner Forscher oder Behörden 
gerecht, wünschenswert, zweckentsprechend usw. erscheint. Von 
diesem Standpunkte aus muß der Hinweis des Reichsrates 
auf die Grundforderungen der Gerechtigkeit als ein Mißverständ- 
nis angesehen werden !. Wie schon oben bemerkt, erkennen, 
mit geringen Ausnahmen, alle konstitutionellen Staaten das In- 
stitut der Unverantwortlichkeit der Abgeordneten an und tun 
solches vollständig bewußt: die geschichtliche Erfahrung hat sie 
gelehrt, daß es besser und vorteilhafter sei, Wortdelikte der 
Volksvertreter ungestraft zu lassen, als sie der Möglichkeit zu 
berauben, ihre Meinung ungehindert zu äußern. Es ist aller 
Grund zu der Annahme vorhanden, daß auch der russische Ge- 
setzgeber, falls er überhaupt das Institut der Unverantwort- 
lichkeit eingeführt hat, das in voller Erkenntnis der poli- 
tischen Bedeutung desselben getan hat. Deshalb ist es absolut 
ıı Dasselbe ist auch von einigen Bemerkungen BOROWITINOW's in 
der Sitzung der St. Petersburger juristischen Gesellschaft vom 14. März 
1909 zu sagen. Seiner Ansicht nach entbehrt das Privilegium überhaupt 
eines rechtlichen Fundamentes („Prawo“ Nr. 15, S. 971). Zugegeben, daß 
dem also ist, so folgt daraus doch noch nicht, daß das Organisationsgesetz 
der Reichsduma dieses seiner Natur nach unjuristische Institut nicht lega- 
lisieren könnte.
	        
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