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fel ausschließenden Rezeption eines fremden Rechtes zu tun,
wobei nicht bloß einzelne Artikel, sondern auch ganze Institute
sich als rezipiert erweisen.
Das Gesagte bezieht sich speziell auch auf die Normen,
welche die rechtliche Stellung der Mitglieder der Reichsduma
und der gewählten Mitglieder des Reichsrates regulieren. Ihren
Ursprung finden sie jedenfalls nicht in den früheren diversen be-
ratenden Organe bei der Person des russischen Monarchen:
sie sind voll und ganz demjenigen Rechte entlehnt, welches
allen konstitutionellen Staaten gemeinsam eigen ist. Die Man-
datsfreiheit der Abgeordneten, das Recht der Kammern, ihre
Tätigkeit durch Geschäftsordnungen zu normieren, die Dis-
ziplinarrechte der Kammern und ihrer Vorsitzenden, die Diäten
der Abgeordneten, die Anschauung, daß letztere die gesamte
Bevölkerung repräsentieren usw. usw. — alles dieses sind Re-
flexe ausländischer Gesetzgebungen, Normen, die aus fremdem
Rechte rezipiert sind. Die gesetzgebenden Kammern in Rußland
sind also nach westeuropäischen Mustern organisiert und basie-
ren auf demselben Fundament wie auch alle anderen Parlamente.
Und wenn der jetzige Reichsrat noch als ein Neubau an einem
alten Gebäude angesehen werden kann, so ist doch jedenfalls die
Reichsduma eine absolut neue Institution, bestimmt, neue staatliche
Funktionen auszuüben.
Von diesem Standpunkte aus müssen wir auch an Art. 14
herantreten. Legalisiert er das Institut der Unverantwortlich-
keit, wie es beinah sämtliche konstitutionellen Gesetzgebungen
tun, oder nicht?
Zunächst und zur Vermeidung möglichster Mißverständnisse
müssen wir bemerken, daß die Existenz des Unverantwortlich-
keitsprinzips auf keinen Fall a priori vorausgesetzt werden kann.
Das unterliegt jetzt keinerlei Zweifel °°. Deshalb kann ein Schwei-
?® In den dreißiger Jahren versuchte K. S. ZACHARIAE den Beweis zu
erbringen, daß auch da, wo das Gesetz das Institut der Unverantwortlich-