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sich die Pflicht des Staatsanwaltes auf eine bloße Uebergabe der
Angelegenheit der betreffenden Gerichtsinstitution. Hierbei wird, laut
Art. 540, bei Angelegenheiten, die im Wege der Privatklage be-
trieben werden, das Material der Voruntersuchung dem Gerichts-
hof vorgestellt und von ihm beurteilt ohne Beteiligung des Staats-
anwaltes.
Wie v. RAıson ganz richtig bemerkt, könnte man hieraus
den Schluß ziehen, daß dem obersten Kriminalgericht Sachen,
welche im Wege der Privatklage verhandelt werden, überhaupt
nicht zuständig sind. Das tut indessen Verfasser nicht.
Seiner Meinung nach besteht zwischen dem Art. 22 des Or-
ganisationsgesetzes der TReichsduma und dem $ 4 des Art. 68
des Organisationsgesetzes des Reichsrates einerseits und den
Art. 92 und 95 des Organisationsgesetzes des Reichsrates ander-
seits ein unversöhnlicher Widerspruch, der sich nur auf die Weise
abschwächen läßt, indem man annimmt, daß die beiden letzten
Artikel den Gedanken des Gesetzgebers nicht genau wieder-
geben *”. Trotz ihrer vollkommenen klaren und präzisen Fas-
sung ist doch anzunehmen, daß es die Absicht des Gesetzgebers
war, der Kompetenz des obersten Kriminalgerichts auch solche
verbrecherische Handlungen der Abgeordneten zu überweisen,
welche im Wege der Privatklage entschieden werden.
Dieser Schluß basiert jedoch ausschließlich auf dem Wunsche
#6 Op. cit., S. 96. Dieser Schluß, bemerken wir, ist nicht bloß möglich,
sondern einfach nicht zu umgehen.
4 „In der Tat“, schreibt v. RAıson (op. cit. S. 97), „konnte es leicht ge-
schehen, daß die Redaktoren dieser Artikel (92, 95), den Umstand im Auge
habend, daß Amtadelikte und Handlungen, die von den Schuldigen beim
Ausüben von ihnen vom Gesetze auferlegten Pflichten begangen werden,
nach der allgemeinen Regel, ein und dasselbe sind, dabei gänzlich die
Kategorie solcher von Mitgliedern der Reichsduma und des Reichsrates
verübter Handlungen außer Acht gelassen haben, welche nach der Gerichts-
praxis im Wege der Privatklage verfolgt werden, selbst wenn solche Hand-
lungen von den Schuldigen bei der Ausübung ihrer öffentlichen Fnnktionen
begangen wären.“
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